JULIA EXTRA BAND 0262
habe“, gestand Takis mit einem tiefen Seufzer. Eleni krauste die Stirn und wartete auf weitere Erklärungen. „Auch ihr Name war Eleni. Sie war gerade erst achtzehn und ich vierundzwanzig, als wir ein Liebespaar wurden. Und das ist jetzt bereits über dreißig Jahre her. Es fällt mir schwer, den nächsten Part zu schildern, aber ich will es versuchen.“
Während ihr Milchkaffee kalt wurde, ließ Eleni ihren Begleiter keine Sekunde aus den Augen. Takis zog ein blütenweißes Taschentuch aus seiner Jacketttasche und tupfte sich die Schweißperlen von der Stirn. „Ich habe Ihnen gestern Abend doch ein wenig von unserer Familiengeschichte erzählt, erinnern Sie sich daran? Meine Familie hat ihr Vermögen schon vor langer Zeit gemacht. Elenis Familie dagegen … sie war arm, bettelarm sogar. In den Augen meiner Eltern die denkbar schlechteste Verbindung, wie Sie sich sicher vorstellen können.“
Eleni biss sich auf die Unterlippe und senkte den Blick.
„Leider hatte ich damals nicht genug Mumm in den Knochen, um mich gegen den Willen meiner Eltern zu stellen“, bedauerte Takis. „Als Eleni schwanger wurde, gab ich ihr Geld, damit sie nach England reisen und eine Abtreibung vornehmen konnte.“
„Und? Hat sie es getan?“, fragte Eleni rau und knetete ihre Hände im Schoß.
„Ich habe nie wieder etwas von meiner süßen Eleni gesehen oder gehört.“ Wieder tupfte Takis seine Stirn mit dem Taschentuch ab. „Deshalb kann ich Ihnen diese Frage leider nicht beantworten. Um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen, redete ich mir immer ein, dass sie in England einen netten Mann getroffen hat, der sich ihrer und des Kindes annahm, und … wer weiß …?“
Takis Koumanidis hing einen Moment seinen Gedanken nach, ehe er fortfuhr. „In den letzten dreißig Jahren ist kein einziger Tag vergangen, ohne dass ich an sie denken musste und mir Vorwürfe gemacht habe. Und als ich Sie plötzlich im Haus meines alten Schulfreundes vor mir sah, konnte ich meinen Augen kaum trauen. Sie sehen ihr so ähnlich, dass es fast beängstigend ist. Wer sind Ihre Eltern, Eleni? Haben Sie ganz sicher keine griechischen Wurzeln?“
„Meine Eltern sind beide Engländer“, erklärte sie steif. „Meine Mutter stammt aus Sussex, mein Vater aus Yorkshire. Und ihre Eltern und Großeltern waren auch Briten. Tut mir leid für Sie, Mr. Koumanidis.“
„Takis“, verbesserte er sie geistesabwesend. „Verzeihen Sie, dass ich Sie mit meiner traurigen Geschichte belastet habe, Eleni, aber ich hoffe, Sie verstehen, warum ich unbedingt mit Ihnen reden musste?“
„Natürlich. Es gibt wirklich sonderbare Zwischenfälle im Leben. So etwas passiert immer wieder“, versuchte sie, einen leichteren Ton anzuschlagen. „Tut mir leid, wenn unsere zufällige Bekanntschaft alte Wunden in Ihrem Inneren aufgerissen hat. Vielleicht lasse ich Sie jetzt lieber mit Ihren Erinnerungen allein, Takis.“ Damit nahm Eleni einen Schluck ihres kalten Milchkaffees und erhob sich vom Tisch.
Takis Koumanidis folgte augenblicklich ihrem Beispiel. Für eine atemlose Sekunde trafen sich ihre Blicke, dann schaute Eleni rasch zur Seite. Momentan wollte sie nur noch eines … allein sein.
9. KAPITEL
Nach einer schlaflosen Nacht entschied Lysander, dass die einzige Möglichkeit, Eleni zu vergessen, darin bestand, sich abzulenken. Er schnappte sich seine Kamera, eine Tüte mit Obst und eine Flasche Mineralwasser, packte alles in einen Rucksack und schwang ihn auf die Schultern.
Dann lief er den staubigen, unbefestigten Weg entlang, der von seinem Haus hinunter zum Hafen und in den malerischen kleinen Ort führte, in dem sein Freund Ari seine Galerie betrieb. Ihm wollte er einen kurzen Besuch abstatten, ehe er hinauf in die Berge wanderte, um ein paar Naturaufnahmen zu machen.
Körperliche Anstrengung war schon immer gut gegen zu viel Grübelei, das wusste er aus Erfahrung. Eleni hatte ihm nachdrücklich zu verstehen gegeben, dass sie Zeit für sich brauche, und damit machte es keinen Sinn, herumzuhocken und darauf zu warten, dass sie sich vielleicht bei ihm meldete.
Wie viel Zeit würde sie wohl brauchen? Einen Tag? Eine Woche? Noch länger …?
Ob er sie überhaupt noch einmal zu Gesicht bekam, bevor sie nach England zurückkehrte?
Lysander fluchte unterdrückt und nahm sich vor, für den Rest des Tages keinen einzigen Gedanken mehr an wankelmütige Frauen zu verschwenden.
Als er unten im Ort an einem kleinen eleganten Café vorbeikam, das vor allem von reichen
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