JULIA EXTRA BAND 0262
eigentliche Grund, warum du hier bist?“
Er sah, wie sich ihr Gesicht verschloss, und hätte am liebsten nach ihrer Hand gegriffen, mit der sie ihre Kehle umfasste, als bekäme sie plötzlich keine Luft mehr. Aber Elenis Blick warnte ihn, und Lysander zog seine Hand zurück.
„Meine beste Freundin ist erst vor kurzem gestorben. Sie litt an Brustkrebs und war seit sechs Monaten symptomfrei, sodass ich dachte, es ginge ihr besser und sie würde wieder ganz gesund …“
Sie machte eine Pause und schluckte hart. Lysander fühlte einen Stich im Herzen, wenn er an den schweren Verlust dachte, den sie erst vor so kurzer Zeit hatte erleiden müssen.
„Ihre Familie hat mir nichts davon gesagt, dass der Krebs wieder zurückgekommen ist – Polly wollte nicht, dass ich es erfuhr. Sie schien zu glauben, ich könne mit der Wahrheit nicht umgehen. Immer hat sie versucht, mich vor allem zu schützen … wie lächerlich und gleichzeitig wie tragisch unter den Umständen …“ Eleni zögerte einen Moment, bevor sie fortfuhr. „So konnte ich mich nicht einmal von ihr verabschieden.“
Sie wischte sich ein paar Tränen von der Wange, und Lysander musste sich zwingen, nicht einfach aufzuspringen und sie in seine Arme zu ziehen. Aber er wollte keine Fehler mehr machen.
„Der andere Grund, warum ich nach Griechenland gekommen bin … Gleich nach dem Tod meiner Freundin fand ich heraus, dass ich adoptiert wurde. Kannst du dir vorstellen, was das für ein Schock war?“ Mit großen traurigen Augen sah sie ihn an. „Auf jeden Fall sind das die beiden Hauptmotive, warum ich erst einmal von zu Hause wegwollte. Doch es gab keinen großen Plan, keine besondere Idee, wohin. Auf diese Insel habe ich mit Hilfe einer Griechenlandkarte per Zufallsprinzip mit dem Finger getippt. Mehr ist da nicht dran. Keine Fügung, keine Vorbestimmung … Und falls es dich interessiert: Nein, es gibt keinen Beweis dafür, dass Takis Koumanidis mein leiblicher Vater ist. Auch wenn er behauptet, ich gleiche der Frau aufs Haar, in die er vor über dreißig Jahren verliebt und die von ihm schwanger war. Ihr Name war Eleni, das hat er dir sicher erzählt.“
„Wie hast du herausgefunden, dass du adoptiert bist?“, fragte Lysander ruhig.
„Durch einen Zufall! Ist das nicht der Hohn?“ Ihr Lachen klang zynisch. „Mein Leben lang habe ich mit Zweifeln gekämpft, weil ich so anders als meine Eltern aussah – viel dunkler, südländischer als sie. Und bei einem Routinebluttest stellte sich schließlich heraus, dass ich genetisch gar nicht ihre Tochter sein kann. Der einzige Hinweis auf meine wahre Herkunft ist ein Zettel, den man bei mir fand, und auf dem Eleni stand, in Englisch und in Griechisch geschrieben.“
Sie seufzte. „Ich glaube, ich bin einfach nur hierhergekommen, um festzustellen, ob hier mein Zuhause ist. Von Takis habe ich zuvor in meinem Leben nie etwas gesehen oder gehört. Ich war völlig geschockt, als er mich überraschend aufsuchte und mir seine Geschichte anvertraute. Als er mich bat, sie niemandem weiterzuerzählen, habe ich ihm natürlich mein Wort gegeben. Es ist schließlich alles nur Spekulation. Und selbst wenn nicht … was hätte ich davon, einem Mann die Zukunft zu zerstören, dessen Vergangenheit schon durch seine eigenen Verfehlungen die Hölle war? Zumal, wenn dafür absolut keine Notwendigkeit besteht.“
Erneut fühlte sich Lysander fast überwältigt von der Aussicht, dass Eleni, seine Geliebte , die leibliche Tochter von Takis Koumanidis, dem alten Schulfreund seines Vaters, sein sollte! Von dem Freund, der berechtigte Hoffnungen hegte, seine andere leibliche Tochter wiederum mit ihm, Lysander Rosakis, zu verkuppeln!
„Nun, ich nehme an, dass dein dringlichstes Bestreben erst einmal sein wird, den Vermutungen auf den Grund zu gehen, die dafür sprechen, dass du Takis’ Tochter bist, oder?“, hakte er vorsichtig nach.
Zu seiner Überraschung schüttelte Eleni den Kopf. „Ich werde nichts dergleichen unternehmen. Egal, ob es stimmt oder nicht, ich habe Eltern, die mich lieben und ein Leben lang für mich da waren. Sie haben alles versucht, mich glücklich zu machen, auch wenn ich es immer noch als einen Fehler ansehe, dass sie mir nicht viel früher die Wahrheit gesagt haben. Mir ist inzwischen klar geworden, dass ich viel besser in ihre Welt passe, als ich es bisher angenommen habe. Ich muss nicht mehr nach einem Vater oder einer Mutter suchen, um mich endlich angenommen zu fühlen. Trotzdem oder gerade
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