JULIA EXTRA BAND 0262
vorgeworfen.“
„Und sie hat recht.“ Beide Männer standen sich mitten im Raum stumm gegenüber. Lysander war noch ganz benommen von der ersten Entschuldigung, oder besser Einsicht, die er eben aus dem Mund seines Vaters gehört hatte.
„Du mischt dich nie wieder in mein Privatleben ein. Habe ich dein Wort darauf?“
Leonidas nickte langsam.
„Und vergiss jede mögliche Verbindung zwischen Elektra Koumanidis und mir. Ich bin sehr wohl in der Lage, mir die Frauen selbst auszusuchen. Und falls ich noch einmal heiraten sollte …“
Lysander sah den Hoffnungsschimmer in den eisblauen Augen seines Vaters aufblitzen.
„ Falls ich tatsächlich noch einmal heiraten würde, dann eine Frau meiner Wahl, die ich liebe und der ich vertraue. Hast du mich verstanden?“
Wieder nickte Leonidas und maß seinen Sohn mit einem freundlichen, fast anerkennenden Blick. „Wie kann ich die Dinge zwischen uns wieder ins Reine bringen?“ Er trat einen Schritt vor und legte die Hand auf Lysanders Arm. „Ich weiß die Reederei bei dir in guten Händen – und das bereits seit über fünf Jahren. Du bist ein Mann mit vielen Talenten, mein Sohn. Wäre es dir recht, wenn ich mich demnächst ganz aus dem Geschäft zurückziehen und in den Ruhestand treten würde?“
„Ja.“
„Dann lass es uns mit einem Handschlag besiegeln.“
Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis Lysander einschlug. Er hatte seinem Vater so lange Widerstand entgegengesetzt, dass er sich noch gar nicht an den neuen Leonidas gewöhnen konnte. Dafür hatte der ihn auch zu oft verletzt.
„Lass es dir gut gehen, Vater“, murmelte er mit einem angedeuteten Lächeln. „Wir werden uns zweifellos bald wiedersehen.“
„Was würdest du mir jetzt raten, Polly?“, murmelte Eleni, während sie ihre Koffer packte. „Ich fühle mich, als hätte ich auf beiden Seiten alle Brücken hinter mir abgebrannt. Mum und Dad werden mir vergeben, dessen bin ich mir sicher, aber Lysander …?“
Eleni presste die weiße Leinenbluse, die sie gerade aus dem Wandschrank genommen hatte, in einer Gefühlsaufwallung fest an sich und schloss gepeinigt die Augen. Wie sollte er ihr vergeben können. Noch immer stand ihr sein schmerzerfülltes Gesicht vor Augen, als sie ihn nach ihrer Anschuldigungstirade und ihrem unverzeihlichen Wutausbruch einfach im Café zurückgelassen hatte.
Sie hatte ihn der schlimmsten Dinge bezichtigt, als es um eine mögliche Schwangerschaft ging, hatte ihm nicht weiter zuhören wollen und sich kein bisschen versöhnlich gezeigt, und jetzt – vierundzwanzig Stunden später, würde sie ihn ohne ein Wort des Abschieds verlassen.
Wieder einmal lief sie davon, weil sie der Wahrheit nicht ins Gesicht schauen konnte … oder wollte. Ob die Menschen, die sie liebten, ihr deshalb immer die Wahrheit verschwiegen hatten? Weil sie genau wussten, was für ein Feigling sie war?
Eleni seufzte, faltete die Bluse mechanisch zusammen und legte sie in den Koffer. Auf jeden Fall hatte es keinen Sinn, weiter hier auszuharren und sein Schicksal zu beklagen – auch wenn die Wunde, die ihr die Liebe zu Lysander geschlagen hatte, vielleicht niemals heilen würde …
Und was ist mit der Wunde, die du ihm zugefügt hast?, meldete sich eine kleine Stimme in ihrem Hinterkopf. Du hast Lysander einer Verfehlung bezichtigt, die ein anderer Mann vor vielen Jahren beging. Du wolltest Lysander leiden sehen, so wie du gelitten hast … aber ist er wirklich der herzlose Schuft, als den du ihn hinstellst – und wie es dein leiblicher Vater in der Vergangenheit gewesen war?
„Es ist zu spät!“, stellte Eleni laut fest und schaute auf ihre Uhr, obwohl sie an etwas ganz anderes dachte. Energisch klappte sie den Koffer zu, gab ihren Zimmerschlüssel an der Rezeption ab, wo sie auch ihre Rechnung beglich, und machte sich auf den Weg zur Fähre.
Es war ein sehr warmer Morgen, heißer als die Tage zuvor. Eleni stand in der langen Warteschlange vor der Passagierfähre, die sie nach Athen bringen sollte, von wo aus ihr Flieger nach England ging. Mit einem erschöpften Seufzer nahm sie für einen Moment den weißen Strohhut ab und fuhr sich mit der anderen Hand über die schweißnasse Stirn.
Ihr war plötzlich ganz schwindelig. Vielleicht hätte sie doch lieber einen kleinen Happen im Hotel essen oder wenigstens unterwegs ihren gewohnten Morgenkaffee trinken sollen. Die Hitze wurde immer unerträglicher …
Sie bekam gar nicht mit, dass sich ein Mann in Jeans und T-Shirt mit
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