JULIA EXTRA BAND 0262
„Ich bin vielleicht kein großer Fan von Hochzeiten, aber niemand kann leugnen, dass sie die Möglichkeit bieten, ein paar der angenehmeren Seiten des Lebens zu genießen. Und ich freue mich darauf, wieder einmal dein Haus zu betreten.“
Die schwarzen Augen funkelten auf eine verbotene Art und Weise – eher emotional als erotisch, und das war noch viel gefährlicher.
„Möchtest du später mit mir tanzen, Sorcha?“, schloss er. „Vielleicht gehen wir sogar schwimmen, wie in den alten Tagen, nicht wahr?“
Doch die alten Tage waren vorbei – lange vorbei. Sie redete sich zu, dass sie damals eine ganz andere Person gewesen war. Aber in mancherlei Hinsicht fühlte sie sich noch ganz genauso hilflos wie vor sieben Jahren. Warum sonst schmerzte ihr Herz so heftig, wenn sie den Mann ansah, von dem sie einst geglaubt hatte, dass sie ihn liebte?
„Ich würde ja gern sagen, fahr zur Hölle“, entgegnete sie langsam, „aber ich glaube, dass du dort bereits einen Stammplatz eingenommen hast!“
„Warum? Willst du mich dorthin begleiten?“
Sein spöttisches Lachen verfolgte sie noch, als sie sich bereits den Weg durch die Menge hindurch zu einer schwarzen Limousine erkämpfte, die die Brautjungfern zum Empfang bringen sollte. Vier kleine Gesichter pressten sich gegen die Fensterscheibe, während Sorcha Unmengen an Tüll und Seide anhob und sich in den Fond des Wagens setzte.
Die Nichte des Bräutigams kletterte auf ihren Schoß und legte ihr Händchen auf Sorchas Wange.
„Warum weinst du, Sorcha?“
Sorcha atmete tief durch. „Ich weine nicht. Ich habe nur ein bisschen Staub ins Auge bekommen.“ Sie wischte mit einem Taschentuch die Tränen fort und setzte dann ihr strahlendstes Lächeln auf. „Siehst du? Alles wieder gut!“
„Alles wieder gut!“, wiederholte der kleine Chor.
Sorcha biss sich auf die Lippe und zwang sich noch einmal zu einem Lächeln. Wie einfach war es, ein Kind zu sein in einer Welt, in der alles Böse verschwand, wenn ein Erwachsener es sagte. Das Monster unter dem Bett verschwindet, sobald Mummy es behauptet.
Aber Erinnerungen waren wie diese Monster aus der Kindheit – sie lungerten an verborgenen Orten und warteten darauf, dich zu erschrecken, sobald du unachtsam warst. Und manche Erinnerungen brannten so stark, als wären sie erst gestern geschehen.
2. KAPITEL
Sorcha hatte Cesare di Arcangelo in dem Sommer kennengelernt, in dem sie achtzehn Jahre alt wurde, einem der heißesten Sommer, die sie erinnern konnte. Es war das Jahr, in dem sie die Schule verließ und in dem die meisten ihrer Klassenkameradinnen ihre Jungfräulichkeit verschenkten – doch Sorcha gehörte nicht dazu. Ihre Freundinnen lachten und nannten sie altmodisch, aber sie wartete auf jemand ganz Besonderen.
An einem unglaublich heißen Tag kam sie von einer letzten Schulreise, die sie nach Frankreich unternommen hatten, zurück nach England. Es war niemand am Bahnhof, um sie abzuholen, und es antwortete auch niemand, als sie zu Hause anrief. Doch da sie nur wenig Gepäck dabeihatte, ging sie einfach zu Fuß.
Plötzlich war Sorcha froh, wieder zu Hause zu sein, auch wenn der Gedanke an die Zukunft sie ein wenig ängstigte. Bis zu diesem Zeitpunkt war alles in ihrem Leben klar vorgezeichnet gewesen, aber mit der Freiheit, die der Schulabschluss brachte, kam auch die Unsicherheit. Dennoch – sie hatte hart gearbeitet, und wenn ihr Abschlussexamen so gut ausfiel wie erwartet, dann stand ihr ein Studienplatz an einer der besten Universitäten des Landes offen.
Sie näherte sich dem Haus über die lange Auffahrt. In dem honigfarbenen Herrenhaus hatten die Whittakers gelebt, seit ihr Ururgroßvater die geschäftstüchtige Idee gehabt hatte, die köstliche hausgemachte Barbecue-Sauce seiner Frau zu vermarkten. Das einzigartige Rezept ihrer Ururgroßmutter hatte sich schnell etabliert und den Reichtum des Familienunternehmens begründet.
Doch das war in einer Zeit gewesen, bevor man von Dingen wie leichter Küche, Bionahrung oder Vollwertkost gehört hatte und sich noch keine Gedanken um Kalorien machte. Bald begann der stetige Niedergang des Familienvermögens, aber er verlief so langsam, dass man es gar nicht richtig bemerkte. Es war einfach gewesen, den schleichenden Prozess zunächst zu ignorieren.
Als Sorcha die große Eichentür aufschob, wurde sie im Inneren des Hauses von einer merkwürdigen Stille begrüßt. Auf einem der Stühle lag ein hellgrauer Männerpullover aus Kaschmir. Sie hob die
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