JULIA EXTRA BAND 0262
Bände. Hatte sie ihm nicht sogar quasi unaufgefordert mitgeteilt, dass sie momentan Single sei? Und bei Frauen wie ihr war es nicht ausgeschlossen, dass sie heimliche Hoffnungen auf eine romantische Ferienliaison hegte. Nun, eine Romanze konnte er ihr bieten, aber eine Liaison …? Das war ausgeschlossen.
„Danke“, reagierte er verspätet auf ihre guten Wünsche. „Aber jetzt haben wir die ganze Zeit über mich geredet, und ich weiß noch gar nichts von Ihnen. Was hat Sie eigentlich auf unsere kleine Insel geführt?“
Sie antwortete ihm nicht sofort, dabei war es eine simple, völlig harmlose Frage.
„Ich … ich kam hierher, weil ich eine Art Besinnungspause brauchte“, erklärte sie schließlich. „Einen Szenenwechsel.“
„Und Sie sind ganz allein gereist?“
„Ja, ich wollte keine Gesellschaft, weil ich einiges zu überdenken habe.“
„Das hört sich sehr ernst an. Kann es sein, dass Sie wichtige Entscheidungen für Ihr Leben treffen müssen? Sagen Sie es ruhig, wenn ich zu persönlich werde“, fügte er rasch hinzu.
Er war viel zu persönlich, aber als Lysander jetzt seine dunkle Sonnenbrille abnahm und Eleni sich augenblicklich in dem strahlenden Blau seiner bemerkenswerten Augen verlor, kam sie gar nicht auf die Idee, seine indiskreten Fragen zurückzuweisen. Außerdem erschien es ihr plötzlich reizvoll, ihre schweren Gedanken und Überlegungen mit einem völlig Fremden zu teilen, den sie ohnehin nie wiedersehen würde.
Also beschloss Eleni, ihm wenigstens einen kleinen Einblick in ihr momentan ziemlich erschüttertes und beunruhigendes Leben zu geben. Nicht zu viel – gerade nur so, dass er ihr vielleicht einen Rat oder Anstoß in eine neue Richtung geben könnte.
„Ja, ich denke, ich muss tatsächlich ein paar wichtige Entscheidungen treffen. Einige Vorfälle in letzter Zeit – sehr gravierende Geschehnisse – zwingen mich förmlich dazu. Um ehrlich zu sein, habe ich das Gefühl, dass alles, was geschehen ist, so sehr es mich auch getroffen und verletzt hat, irgendwie vom Schicksal vorbestimmt war. Hört sich das für Sie zu verworren an?“
„Nein, gar nicht“, beruhigte er sie und schwieg wieder, weil er den Eindruck hatte, Eleni sei mit ihrer Erläuterung noch nicht am Ende.
„Ich glaube, die Lektion, wie schmerzhaft sie auch immer ist, war längst überfällig, damit ich mein Leben endlich selber in die Hände nehme und die Richtung bestimme.“ Sie lächelte tapfer, doch Lysander sah den tiefen Kummer in ihren dunklen Augen und fragte sich, was sie erlebt haben mochte.
Eleni holte tief Luft, schüttelte den Kopf, als könne sie damit auch ihre Bedrückung abwerfen, machte ihren Rücken gerade und schaute Lysander offen an. „Auf jeden Fall ist es viel einfacher, neue Ideen und wagemutige Entscheidungen ins Auge zu fassen, als sie schließlich auch umzusetzen, finden Sie nicht?“
„Wenn der ernsthafte Wunsch vorhanden ist …“ Er zuckte die Schultern. „Ich glaube, das, was Ihnen widerfahren ist, hat Sie bereits verändert, Eleni. In meinen Augen sind Sie eine sehr tapfere Frau, wenn Sie in der Lage sind, Schicksalsschläge derart philosophisch zu betrachten und als Anlass für positive Veränderungen zu sehen. Viele andere würden resignieren, obwohl sie wissen, dass etwas Neues angesagt wäre – sogar, wenn sie von außen gepuscht würden …“, sagte er gedankenverloren. „Ist es nicht viel einfacher, so zu tun, als sei nichts geschehen, um den gewohnten Komfortbereich nicht verlassen zu müssen?“
Es war so leicht, mit ihm zu reden. Seine tiefe, warme Stimme vermittelte Eleni das trügerische Gefühl von Sicherheit und Aufgehobensein. Und er hielt sie für tapfer. Das hatte noch niemand von ihr gesagt.
Sie presste die Lippen zusammen und senkte die Lider, um die verstörenden Emotionen zu verbergen, die sie überfluteten.
„Eleni?“ Vorsichtig umfasste Lysander ihre Hand. Den Druck seiner warmen Finger auf ihrer empfindsamen Haut empfand Eleni wie die Berührung mit einem offenen Feuer, und die aufflammende Hitze in ihrem Inneren verschlug ihr förmlich die Sprache.
„Ich … ich bin kein bisschen tapfer“, stammelte sie heiser, als sie endlich wieder zu Atem kam. „Im Gegenteil. Mein Leben lang bin ich eher ein Feigling gewesen. Immer auf der sicheren Seite. Meine Eltern haben versucht, mich vor allem zu schützen, was mich erschrecken oder mir Schwierigkeiten bereiten könnte, und ich befürchte, ich habe es einfach zugelassen.“
„Aber jetzt
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