JULIA EXTRA BAND 0263
verändert, seit er ein kleiner Junge gewesen war. In seinem Dorf gab es Leute, die bis heute nicht in einem Auto gefahren waren.
Zu Mittag aßen Tomasso, Maggie, Gianni und Anna im „Haus der kaiserlichen Tochter“, einem exklusiven Restaurant, das sich auf Geschäftsleute und reiche Touristen spezialisiert hatte. Junge Frauen in der prachtvollen Kleidung einer längst vergangenen Epoche trugen mehr Gerichte auf, als eine Familie in einer ganzen Woche vertilgen konnte.
Nach dem Lunch ließ Tomasso Maggie und die Kinder in der Hotelsuite zurück, weil er einen weiteren Termin wahrnehmen musste. Die drei waren gar nicht traurig darum. Eine Pause von Peking mit seinem hektischen Treiben und dem konstanten Geräuschpegel würde ihnen allen guttun.
Maggie schlief bereits, als Tomasso spätabends ins Hotel zurückkehrte, doch sie erwachte, als er sich neben sie legte und ein heiseres Knurren ausstieß, da er sie nackt unter der Decke vorfand. Die letzten beiden Nächte hatte sie ein Nachthemd getragen, doch Tomasso hatte es ihr jede Nacht ausgezogen. Heute hatte sie es gar nicht angelegt – ein erster Schritt, der ihm beweisen sollte, dass sie sich darum bemühte, ihre Schüchternheit ihm gegenüber abzulegen.
Ihm schien dieses Zeichen zu gefallen, denn der leidenschaftliche Kuss war nur die Einleitung zu anderen Dingen, die sie beide bis in die frühen Morgenstunden wach hielten.
Am nächsten Tag überraschte Tomasso Maggie und die Kinder mit einem Ausflug in die Verbotene Stadt. Sie besichtigten die Paläste und Gärten des ehemaligen Kaisers und den Himmelstempel.
Während sie umherschlenderten, fielen Maggie zahllose Frauen auf, die Tomasso mit bewundernden Blicken maßen, doch er schien es gar nicht zu bemerken. Selbst die schönsten und exotischsten konnten seine Aufmerksamkeit nicht auf sich ziehen.
Würde es auf Isole dei Re ebenso sein? Würde er auch dort immer nur Augen für sie haben? Maggie hoffte es von ganzem Herzen.
11. KAPITEL
Zwei Tage noch verbrachten sie in Peking, dann flogen sie zurück nach Hause. Von dort aus rief Tomasso seine Familie an, um sie von seiner bevorstehenden Heirat zu unterrichten. Maggie und er wollten noch vor den Feierlichkeiten nach Scorsolini Island fahren, damit die Familie und Maggie sich kennenlernen konnten.
Soweit Maggie wusste, hatte niemand aus der Familie auch nur ein kritisches Wort darüber verloren, dass Principe Tomasso Scorsolini vorhatte, das Kindermädchen zu heiraten. Was nicht bedeutete, dass jeder es guthieß. Vielleicht warteten sie ab, bis Tomasso und sie in Lo Paradiso, der Hauptstadt des Inselstaates, angekommen waren, um ihre Bedenken zu äußern.
Wundern würde es Maggie nicht. Welcher König wäre schon begeistert, wenn sein Sohn die Nanny seiner Enkel und ehemalige Haushälterin ehelichte?Zum zweiten Mal betrat Maggie den Palast in Lo Paradiso. Mitten im Zentrum der Hauptstadt gelegen, erweckte seine Größe und Pracht ebenso viel Ehrfurcht in ihr wie bei ihrem ersten Besuch.
Giannis und Annas Lachen hallte in den hohen Hallen wider, als sie durch den marmornen Torbogen und den breiten Gang zu den privaten Empfangsräumen liefen. Der Zusammenhalt in der Königsfamilie war stark. Eine Familie, nach der Maggie sich seit dem Tode ihrer Eltern sehnte. Hier waren alle Onkel und Tanten von den beiden Kindern hingerissen und verwöhnten sie.
Marcello, den jüngsten der Scorsolini-Brüder, musste Maggie noch kennenlernen, aber die Kinder schwärmten in den höchsten Tönen von ihm.
Im Familiensalon stellte Tomasso Maggie seinem Vater vor. König Vincente hatte die gleichen kobaltblauen Augen wie sein zweitältester Sohn. Doch Maggies charmantes Begrüßungslächeln erlosch, als diese Augen sie so eindringlich musterten, als wolle der König ihr bis in die Seele sehen.
Prinz Claudio, der älteste Sohn, war ebenso einschüchternd. Seine dunklen Augen lagen unverwandt auf Maggie, als sie sich zusammen mit Tomasso auf das kleine Brokatsofa setzte. Gianni und Anna flankierten zu beiden Seiten ihren Großvater auf dem üppigen Sofa, auf dem er saß, und Prinzessin Therese und ihr Mann Claudio hatten sich in den großen Sesseln im Queen-Anne-Stil niedergelassen.
Der geräumige Salon war auf Behaglichkeit und Wärme ausgerichtet, doch die Ungewissheit, wie die Familienmitglieder sie aufnehmen würden, verlieh Maggie eher das Gefühl, in einem Gerichtssaal zu sitzen.
Einzig Prinzessin Therese küsste Maggie zur Begrüßung auf die Wangen, ganz so, als
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