JULIA EXTRA BAND 0264
begeisterte Gothic-Anhängerin.â
Wie erwartet erhielt sie ein verständnisloses Stirnrunzeln als Antwort, offensichtlich interessierte Malik sich nicht für die Details ihres Modegeschmacks. Stattdessen fragte er weiter.
âUnd hattest du in jenem Jahr einen Freund â¦, einen männlichen Freund?â
Nun verlor Abbie die Geduld: Sie wollte kein Verhör und keine Fragen mehr, sie wollte Antworten.
âWorauf willst du eigentlich hinaus?â
âDas werde ich dir zeigen.â
Malik griff nach seinem Jackett und zog eine schwarze Lederbörse aus der Innentasche. Er nahm ein Foto heraus, das er vor ihr auf den Tisch warf.
Verwirrt sah Abbie das Foto an. Dann hob sie es auf und betrachtete es genauer, um sicherzugehen, dass sie sich nicht verguckt hatte.
Obwohl das Foto schon sechs Jahre alt war, wusste sie noch genau, wann es aufgenommen worden war. An ihrem letzen Abend auf dem Internat. Nach den Prüfungen hatte die Abschlussklasse ihre letzte Party gefeiert. Auf dieser Party hatten sie und einige ihrer Freunde sich für den Fotografen aufgestellt, die Arme einander um die Schultern gelegt.
âJa, das bin ichâ, sagte sie langsam. Hätte sie es nicht gewusst, würde sie das Mädchen in der Mitte der Gruppe nicht erkennen. Warum hatte ihr nie jemand gesagt, wie schlecht ihr die schwarz gefärbten Haare standen? Sie sah furchtbar aus, wie ein grotesker Vampir aus einem frühen Horrorfilm.
Kein Wunder, dass Malik sie nicht als die schwarzhaarige Achtzehnjährige erkannt hatte.
âAlso, was â¦â
Plötzlich stieg eine Ahnung in ihr auf â überrascht hielt sie inne und betrachtete noch einmal das Foto. Ja, neben ihr stand Jalil, einen Arm um ihre Schultern gelegt, während sie ihren um seine Hüften gelegt hatte. Jalil, ein reicher junger Araber, der das letzte Schuljahr auf dem exklusiven Internat verbracht hatte, um sein Englisch zu verbessern. In der Zeit hatten sie und Jalil sich angefreundet, seitdem aber keinen Kontakt mehr gehabt.
Wollte Malik darauf hinaus? War Jalil der männliche Freund, nach dem er gefragt hatte? Seit Jahren hatte Abbie nicht mehr an ihn gedacht.
âMeinst du Jalil?â
âWas genau hat dein Vater dir erzählt?â
Sie stellten ihre Fragen gleichzeitig und schwiegen dann beide. Doch Maliks Blick zeigte deutlich, dass er ihre Antwort erwartete, nicht umgekehrt. Also schluckte Abbie ihren Stolz hinunter.
âEr hat gesagt, dass du uns einen Weg angeboten hast, aus dem Schlamassel, in dem wir â¦, in dem Andy steckt, herauszukommen. Ist das nicht wahr?â
Zu ihrer gröÃten Erleichterung nickte Malik.
âDas stimmt also?â
âJa, ich habe deiner Familie eine Lösung angeboten.â
Malik wählte seine Worte mit Bedacht, wieder in der Rolle des Diplomaten, der daran gewöhnt war, nationale wie internationale Belange zu verhandeln. âAber nicht die, die du verstanden zu haben scheinstâ, fuhr er fort. âIch habe nicht die Absicht, dich zu heiraten ⦠und habe sie auch nie gehabt.â
8. KAPITEL
Das war deutlich.
Die brutalen Worte lieÃen keinen Raum für ein mögliches Missverständnis. Zögernd zwang sich Abbie, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.
Einerseits erleichtert, dass Andys Schicksal nicht in ihren Händen lag, gleichzeitig aber auch besorgt, weil es offenbar keine Hoffnung für ihn gab.
Und über Maliks Reaktion nachzudenken, sein Entsetzen über die bloÃe Idee, sie zu heiraten, tat ihr in der Seele weh.
Komm schon Abbie, gib zu, du warst nicht auf der Suche nach einer Ehe, als du hierhergekommen bist.
Nein, sie war nicht auf der Suche nach irgendetwas gewesen, sondern wollte nur annehmen, was Malik ihr so offen angeboten hatte. Doch seit ihr Vater den Hochzeitsgedanken in ihren Kopf gesät hatte, musste sie gegen die plötzliche Erkenntnis ankämpfen, wie gern sie Malik heiraten wollte.
Tief in ihrem Herzen hatte sich ein heller Lichtstrahl aus Glück gebildet, zusammen mit einer erschreckenden und verstörenden Wahrheit: Sie hatte sich Hals über Kopf in den dunklen stolzen Fremden verliebt.
Doch er wollte nur ihren Körper, mehr nicht.
âFür wen hast du mich gehalten, wenn nicht für Abigail?â âIch dachte, du bist ein Dienstmädchen ⦠oder die Haushälterin.â
Für einen Augenblick blitzte es wieder auf, das schelmische Lächeln. Einmal, für eine
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