JULIA EXTRA BAND 0274
Sie nicht länger stören. Am Montag fliege ich zurück, bis dahin … Sie wissen, wie Sie mich erreichen können.“
„Montag … Das ist übermorgen. Besser, ich verabschiede mich jetzt von Ihnen. Es war schön, Sie kennenzulernen, Conrad. Danke … Für alles.“
Wortlos sah er sie an. Mit ernster Miene legte er den Schuh auf ein Regal neben der Tür. „Ich danke Ihnen, Lily. Und ich hoffe, wir sehen uns wieder.“ Dann wandte er sich ab.
„Conrad …“
Er blieb stehen und drehte sich um. „Ja?“
„Ich …“ Sie schluckte und atmete tief ein. „Es war eine … eine wundervolle Woche, wirklich.“
Was sollte er darauf entgegnen? „Gern geschehen“ klang überheblich, „Für mich auch“ zu sarkastisch.
Schließlich sagte er nichts. Stattdessen machte er eine kaum merkliche Verbeugung und ging.
13. KAPITEL
„Du hast ihn also gehen lassen?“
Rose beobachtete Lily, die neben ihr auf dem Beifahrersitz saß, aus dem Augenwinkel. Bald würden sie ihr Ziel erreichen: die Adresse, wo sie endlich ihre Schwester Laurel zu finden hofften. „Einfach so. ‚Danke für die Einladung, es war sehr schön, aber jetzt gehe ich lieber. Und noch alles Gute‘?“
„So war es nicht“, widersprach Lily. „Ach, was blieb mir denn anderes übrig? Drucille wartete bloß darauf, ihr Tonband an den Mann zu bringen – oder vielmehr an die Frau.“
„Du und Conrad hättet doch leicht eine glaubwürdige Erklärung erfinden können. Das weißt du genauso gut wie ich. Sag mir also jetzt endlich den wahren Grund, Schwesterchen!“
Lily schniefte. „Wir kommen aus zwei verschiedenen Welten, und die Chancen für uns sind gleich null.“
„Warum? Warren und ich haben es doch auch geschafft.“
„Das ist nicht das Gleiche, Warren ist einer von uns. Sicher, er leitet einen Riesenkonzern. Den hat er allerdings nicht geerbt, sondern aus eigenen Kräften aufgebaut. Und er kommt nicht aus einer Familie, die seit achthundert Jahren an der Macht ist und ein Land regiert.“
„Dafür kannst du Conrad doch nicht verantwortlich machen. Es ist nun mal sein Erbe. Was hat das mit euch beiden zu tun?“
Um die aufsteigenden Tränen vor Rose zu verbergen, wandte Lily sich ab und sah aus dem Fenster. Sie weinte eigentlich so gut wie nie. Aber seit gestern hatte sie kaum noch Kontrolle über ihre Emotionen. Inzwischen fühlte sie sich wie ein seelisches Wrack.
„Ich mache ihn für nichts verantwortlich, ich kann bloß nicht mit ihm zusammen sein.“
„Warum denn nicht?“
„Zum einen, weil er mich nicht wirklich will. Und zum anderen … Rose, können wir bitte das Thema wechseln? Ichglaube, da vorn kommt unsere Ausfahrt.“ Sie warf einen Blick auf die Straßenkarte, die auf ihren Knien lag. „Ja, das ist sie: Ausfahrt einhundertdreiundsiebzig.“
Schweigend wechselte Rose die Fahrspur. Sie verließen die Autobahn und fuhren auf einer Landstraße in die Richtung, wo Laurels Adoptivvater wohnen sollte. Je näher sie ihrem Ziel kamen, umso stiller wurden beide.
Nach einer Fahrt, die ihnen beiden endlos erschien, hielt Rose vor einem kleinen braun gestrichenen Bungalow. Nachdem sie den Motor abgestellt hatte, schwieg sie einen Moment, bevor sie sich zu ihrer Schwester drehte. „Bist du so weit?“
Lily nickte. „Ja. Und du?“
„Ich auch.“
Sie stiegen aus und gingen zu dem Haus. Unwillkürlich nahmen sie sich bei der Hand.
Nach längerem Klopfen öffnete ein alter Mann. Sein Haar war grau und sein Gesicht hart. „Was wollen Sie?“, fragte er mürrisch.
„Guten Tag“, sagte Lily verunsichert. „Wir suchen Laurel Standish, sie soll hier wohnen.“
Der Mann blinzelte. „Sie kommen zu spät.“ Er machte Anstalten, die Tür zu schließen, aber Rose hinderte ihn daran.
„Einen Moment, bitte. Was meinen Sie damit? Wohnt sie nicht hier?“
„Nicht mehr.“
Lily spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. „Ich … verstehe nicht.“
Von einer zur anderen sehend, sagte er: „Sie kam vor zwei Wochen bei einem Flugzeugunglück ums Leben.“
Lily fühlte sich, als habe er ihr mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Tot? Laurel war tot? Endlich hatten sie ihre Schwester gefunden, und jetzt sagte dieser Mann, sie sei vor zwei Wochen verunglückt. Das war unmöglich! Das konnte nicht sein!
Als Erste fand Rose ihre Stimme wieder. „Das … das ist furchtbar. Es tut mir so leid.“ Stockend fuhr sie fort: „Wir … haben erst vor ein paar Tagen erfahren, dass Laurel wahrscheinlich unsere Schwester ist.“
Die
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