JULIA EXTRA BAND 0274
es – mehr, als ich jemals sagen kann“, fügte er streng hinzu. Langsam ging er zur Haustür. „Sie gehen jetzt besser, ich bin sehr müde. Ich hoffe, Sie verstehen.“
Die Schwestern folgten ihm widerspruchslos.
„Vielen Dank für alles, was Sie uns erzählt haben, Mr. Standish, und auch für die Bücher. Sie bedeuten uns mehr, als Sie sich vorstellen können.“ Lily reichte ihm zum Abschied die Hand.
Er nickte. „Ich wünsche Ihnen beiden viel Glück – dass Sie in Ihrem Leben bekommen, was Sie sich wünschen.“
Stumm wechselten die Schwestern einen Blick. Schließlich verließen sie das Haus und gingen zum Auto zurück. Sie hörten noch, wie der Riegel von innen vorgeschoben wurde.
„Und jetzt?“, fragte Rose. Wie leblos ruhten ihre Hände auf dem Lenkrad.
Lily strich über die Bücher auf ihrem Schoß. „Ich finde, unsere Schwester hat uns ein wundervolles Geschenk gemacht. Endlich wissen wir, wer unsere Eltern waren und dass sie uns lieb hatten.“ Sie schlug das Tagebuch auf und begann laut zu lesen:
„Meine lieben Mädchen,
wenn ich eine bessere Lösung wüsste, würde ich euch nicht verlassen. Aber ich kann es nicht ertragen, dass ihr in Not und Elend aufwachst, dafür habe ich euch zu lieb. Und das ist alles, was ich euch bieten kann, jetzt, wo ich allein bin. Deshalb ist es besser, ihr seid in einem Heim. Ich hoffe, dass ihr mich später einmal verstehen werdet. Bitte verzeiht mir, ich liebe euch alle drei von ganzem Herzen.“
Tränen liefen Lily über die Wangen, während sie das Buch zuklappte. „Ich war immer so sicher, dass sie uns weggeben haben, weil sie uns nicht wollten. Jetzt weiß ich, dass das nicht stimmt.“
Rose nickte wortlos und startete den Motor. Als sie den Wagen in der Einfahrt langsam zurücksetzte, sah sie Mr. Standish aus dem Haus kommen. Er winkte aufgeregt. Daraufhin hielt Rose an, und Lily ließ das Fenster auf ihrer Seite herunter.
„Ich wollte Ihnen noch etwas geben“, sagte er und reichte ihr einen braunen Umschlag. „Das sind Laurels Briefe aus Übersee. Vielleicht helfen sie Ihnen, Ihre Schwester ein bisschen besser kennenzulernen. Der oberste ist der letzte, den sie mir geschrieben hat.“ Ohne auf ein Dankeschön zu warten, drehte er sich um und kehrte in sein kleines Haus zurück.
„Lies ihn vor“, bat Rose.
Mit zitternden Fingern öffnete Lily den Umschlag. Der Brief darin war dem Poststempel zufolge vor knapp drei Wochen abgeschickt worden. Das Kuvert enthielt nur ein einziges Blatt. Sie las:
Lieber Dad,
ich wollte Dir nur mitteilen, dass ich auch weiterhin Geld überweisen werde, um Dir beim Abzahlen des Hauses zu helfen.
Mir geht es gut, aber die Lage hier ist ziemlich kritisch. Sollte etwas Unvorhergesehenes passieren, wird sich eine Freundin von mir (ihr Name ist Glenna Cunliffe) darum kümmern, dass meine Sachen und auch mein ausstehendes Gehalt an Dich gehen. In diesem Fall wird sie sich vorher mit Dir in Verbindung setzen …
Lily sah auf. Ihre Schwester wirkte totenblass. Sie hielt das Lenkrad so krampfhaft umklammert, dass die Knöchel an den Händen weiß hervortraten. „Man könnte glauben, sie hat es gewusst“, flüsterte sie.
„Ich weiß, es ist geradezu unheimlich.“ Lily faltete den Bogen und steckte ihn in den Umschlag zurück. Dann öffnete sie einen weiteren Brief und überflog ihn. „Es steht nicht viel drin. Anscheinend hatte Laurel kein sehr herzliches Verhältnis zu ihrem Adoptivvater.“
„Das finde ich traurig.“
Lily nickte und schob beide Briefe in den braunen Umschlagzurück. „Wir sollten versuchen, diese Glenna Cunliffe zu finden. Vielleicht kann sie uns mehr über Laurel erzählen.“
„Ja, gute Idee. Ich werde Warren bitten, George Smith damit zu beauftragen.“
Bedrückt lehnte Lily sich im Sitz zurück. „Den Tag hatte ich mir anders vorgestellt, wirklich.“ Sie wischte sich die Augen. „Wenigstens wissen wir jetzt ein bisschen mehr über unsere Herkunft.“
„Das stimmt. Mir ist, als hätten wir endlich die Lösung zu dem Puzzle, das uns so viele Jahre beschäftigt hat.“
„Das und die Antwort auf die Frage, ob uns jemand lieb gehabt hat“, pflichtete Lily bei. Ihre Hände strichen über das Tagebuch. „Zu wissen, dass es so war, macht einen großen Unterschied, findest du nicht auch?“
„Doch. Und trotzdem … Ich meine, wir hätten uns von Anfang an denken können, dass wir ins Waisenhaus kamen, weil unsere Eltern gute Gründe hatten.“
Tröstend legte Lily ihrer
Weitere Kostenlose Bücher