JULIA EXTRA BAND 0274
Verdacht, dass sie für ihn bei Weitem nicht so wichtig war wie das Abschirmen seiner Privatsphäre. Isabella unterdrückte die Welle von Verletzung und Enttäuschung, die sie überrollte, und nickte. „Ja, das verstehe ich.“
„Willst du zuerst duschen?“, fragte er freundlich, und sie spürte, wie er sich innerlich von ihr zurückzog. „Ich muss noch ein paar Telefonate erledigen, bevor wir aufbrechen.“
„In Ordnung.“ Isabella hatte das Gefühl, aus seinem Leben entlassen worden zu sein, und ihr Herz wurde schwer, als sie sich umdrehte, um aus dem Bett zu steigen …
4. KAPITEL
Achtzehn Monate später … London, England
„Tut mir leid, Natasha, es ist ein bisschen spät geworden, aber Chris und ich sind nach dem Film noch einen Kaffee trinken gegangen. Schläft Raphael?“
„Tief und fest. Und es ist überhaupt nicht spät … ich habedoch gesagt, ihr sollt euch Zeit lassen. Ihr hättet noch etwas essen gehen sollen, statt nur Kaffee zu trinken. Wie war es?“, fragte die zierliche Blondine.
„Wie war was?“, erwiderte Isabella zerstreut und blies sich in ihre kalten Hände. Der November hatte eisiges Winterwetter nach London gebracht, und zudem herrschte an diesem Abend eisiger Wind.
Natasha zog ihre hellen, perfekt gezupften Augenbrauen spöttisch zusammen und stützte die Hände auf ihre superschmalen Hüften. „Der Film natürlich. Was sollte ich sonst wohl meinen?“
Isabella hätte am liebsten nicht über den Film gesprochen, sondern die Erinnerung daran in einer Ecke ihres Gedächtnisses verstaut, um sie dann später, wenn sie allein war, in allen Einzelheiten auszukosten. Die Geschichte hatte sie zutiefst berührt. Es ging um die Beziehung einer Mutter zu ihrem Sohn … einem Sohn, der seinen einfachen ländlichen Hintergrund ablehnte, als er heranwuchs, weil er sich von dem augenscheinlichen Glanz des Großstadtlebens hatte verführen lassen. So geblendet war er davon, dass er sich sogar von der Frau abwandte, die ihn aufgezogen hatte. Der Regisseur war ein gewisser Leandro Reyes. Es war ein außerordentlich einfühlsamer Film gewesen, der, obwohl er die Emotionen ansprach, niemals versuchte, den Zuschauer zu manipulieren. Als Isabella mit ihrer Freundin Chris aus dem Kino gekommen war, war sie sprachlos vor Begeisterung gewesen.
„Der Film war wundervoll! Du solltest ihn dir ansehen. Ich kann ihn nur wärmstens empfehlen.“
Beide Frauen bewegten sich automatisch in Richtung Küche. Isabella, weil sie dringend eine tröstliche Tasse Kamillentee brauchte, um die von Leandros Film aufgewühlten Gefühle zu beruhigen, und Natasha, weil sie neugierig darauf war, den neuesten Klatsch zu erfahren, den Chris und Isabella in ihrer Abwesenheit ausgetauscht hatten.
„Du kennst mich doch. Diese intellektuellen, künstlerischen Filme sind nichts für mich. Ich sehe am liebsten romantische Komödien.“
„Aber dieser Film war ganz und gar nicht intellektuell.“
In der Küche stellte Isabella den elektrischen Wasserkocher an. „Kaffee oder Tee?“, fragte sie ihre Freundin.
„Weder noch, danke. Ich hatte gerade einen Kaffee, und ehrlich gesagt, sollte ich jetzt lieber nach Hause gehen. Ich muss früh aufstehen, damit ich die Kinderkrippe um acht Uhr öffnen kann.“
„In Ordnung … aber wie ich schon sagte“, Isabella verschränkte die Arme über ihrem schwarzen Rippenpulli, zu dem sie einen roten Cordrock trug, „der Film ging überhaupt nicht vom Verstand aus, sondern vom Herzen.“
Natasha grinste. „Wie dem auch sei, wie steht es zwischen Chris und ihrem neuen Freund? Glaubst du, dass er sich länger halten wird als die bei ihr üblichen zwei oder drei Verabredungen?“
Chris hatte Isabella anvertraut, dass sie den neuen Man an ihrer Seite wirklich gern hatte und hoffte, dass diese Beziehung dauerhafter sein würde. Ihre Freundin sehnte sich danach, zu heiraten und eine Familie zu gründen, und bekam mit ihren einunddreißig Jahren allmählich die Torschlusspanik. Heute Abend hatte sie Isabella gestanden, dass sie sie darum beneidete, Mutter eines kleinen Sohns zu sein …
Bei dem Gedanken an ihr Baby wurde Isabella warm ums Herz, und sie freute sich schon darauf, später mit ihm zu kuscheln. Ihr kleiner Sohn war der Mittelpunkt ihrer Welt. Die Wanderung auf dem Jakobsweg im Frühjahr des vergangenen Jahres hatte ihr Leben noch viel stärker verändert, als sie jemals für möglich gehalten hätte. Sie war jetzt Mutter. In jener unglaublichen, leidenschaftlichen Nacht
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