JULIA EXTRA BAND 0274
damals zu erzählen, weigerte sie sich. Das müsse ihr Jack schon selbst sagen, meinte sie. Womit sie wahrscheinlich recht hatte.
Furcht schnürte ihr die Kehle zu. Sie verstand Jack nicht mehr. Seine Abneigung gegen Aidan. Sicher, seine Eltern hatten sich scheiden lassen, was Jacks Bindungsangst erklärte. Doch ein Blinder konnte sehen, wie glücklich Cathy war, auch ohne Ehering. Was für ein Problem hatte Jack also damit?
Sie schloss die Tür auf, knipste das Licht an und sah Jack im Sessel sitzen. Hatte er etwa die ganze Zeit im Dunkeln gesessen?
„Das war nicht in Ordnung von dir.“ Maddie ließ den Mantel auf einen Stuhl fallen. „Warum bist du einfach abgehauen?“
Die Suite war ähnlich geschnitten wie die in ihrem Londoner Hotel, mit der Ausnahme, dass es hier einen Kamin gab.
„Jack?“ Sie starrte ihn an.
Vor ihm standen eine Flasche Whiskey und ein halb volles Glas.
„Du hast mich einfach sitzen lassen.“
Er sah sie nicht an. „Ich musste weg.“
„Ach wirklich. Und warum, wenn ich fragen darf?“
Gedankenverloren nahm er das Glas, drehte es in der Hand und betrachtete die goldgelbe Flüssigkeit darin.
„Jack, geht es dir gut?“ Allmählich machte sie sich wirklich Sorgen.
„Ich glaube nicht.“
Der Jack, den sie kannte, hätte das niemals zugegeben. Doch der neue Jack rührte mit seiner Ehrlichkeit ihr Herz. Sofort war sie bei ihm. Sie berührte seine Stirn. Fieber hatte er keines. Dann sah sie den Schmerz in seinen Augen.
„Was ist los?“
„Du hattest recht, Maddie. Ich bin ein schlechter Mensch.“
„Das habe ich nie behauptet“, protestierte sie.
„Du hast gesagt, ich sei wie mein Vater. Das ist dasselbe.“
Das war ihr in einem Augenblick der Wut und des Selbstschutzes herausgerutscht. „Du bist ein guter Mensch.“
„Da irrst du dich. Meine Mutter ist glücklich, und mich macht das sauer. Ich gönne ihr das Glück nicht. Wenn das nicht schlecht ist, weiß ich auch nicht.“
„Warum bist du damals fortgelaufen, Jack?“
Er schwieg.
„Seit Heiligabend schleichen wir um dieses Thema herum. Erzähl es mir. Sag es geradeheraus, denn ich werde sowieso nicht lockerlassen.“
Schweigend starrte er sie an. Dann setzte er das Glas ab, ohne einen Schluck getrunken zu haben.
„Ich hatte meinen Vater so lange genervt, mir mehr Verantwortung für das Bella Lucia zu übertragen, bis er mir die Chance gab, mich zu beweisen. Ein großes Event stand an, die Hochzeit der Tochter eines bedeutenden Politikers.“ Jack leierte die Worte monoton hinunter. „Damals grassierte eine Grippe, deshalb war das Personal knapp. Dad war nicht glücklich mit den Umständen, aber er hat mir die Chance gegeben.“
Maddie sah seinen Blick und wusste, dass er die Geschehnissenoch einmal durchlebte.
„Alles war bis ins kleinste Detail geplant, und ich hatte alles im Griff“, fuhr er fort. „Das Essen war fertig, der Likör stand bereit, die Hochzeitstorte wartete nur darauf, angeschnitten zu werden …“
Ermutigend legte Maddie eine Hand auf Jacks Arm.
„Am Morgen der Hochzeit kam ich sehr früh ins Restaurant, um noch einmal alles zu prüfen. Ich wollte nichts dem Zufall überlassen.“ Er räusperte sich. „Meine Mutter war da. Sturzbetrunken, weil mein Vater die Scheidung eingereicht hatte. Die Küche sah aus wie ein Schlachtfeld. Die Platten für das Büfett waren verwüstet, die Torte zerstört …“
„Oh Jack.“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber ich verstehe nicht … Warum war dein Vater wütend auf dich? Er hat doch deine Mutter in dem Chaos gesehen.“
„Nein. Ich habe sie nach Hause geschickt und aufgeräumt. Die Küche sah danach aus, als wäre nie etwas gewesen. Und damit meine ich: gar nichts.“
Maddie begriff. „Er dachte, du hättest weder Essen noch Torte vorbereitet?“
„Es war das Naheliegendste. Und es war typisch für ihn, immer das Schlechteste von mir anzunehmen.“
„Warum hast du ihm nicht die Wahrheit gesagt?“
„Mutter war so zerbrechlich. Die Scheidung hat ihr so zugesetzt …“ Seine Stimme klang wie aus weiter Ferne an ihr Ohr. „Wenn er erfahren hätte, dass sie dafür verantwortlich war, hätte er sie zerstört. Das konnte ich nicht zulassen.“
„Was hat er gesagt?“ Sie fürchtete sich vor der Antwort, doch Jack musste sie einmal aussprechen.
„Er sagte, ich sei inkompetent, ein Nichtsnutz. Und dass er sich nie wieder auf mich verlassen würde.“
Und seitdem tat er alles, um zu beweisen, dass sein Vater unrecht hatte. Dass
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