JULIA EXTRA Band 0276
Häupter“ überhaupt erst nass werden konnten? Jedenfalls nicht im australischen Outback! beantwortete er sich seine rhetorische Frage gleich selbst.
Leise vor sich hinfluchend, öffnete Max die Tür des Mercedes und stellte sich den Elementen. In dem Mietwagen gab es zwar auch einen Regenschirm, aber der erwies sich gegenüber den Naturgewalten als völlig nutzlos. Und so war er schon bis auf die Haut durchnässt, ehe er die Wagentür wieder schließen konnte. Obwohl die undurchdringlichen Regenschleier die Sicht behinderten, wandte sich Max hoffnungsvoll in die Richtung, in der er das Haus vermutete.
Es war etwas schwierig, über das rutschige Viehgitter an dem abgestellten Fahrzeug vorbeizubalancieren, aber er meisterte die Herausforderung mit Bravour. Dann wandte er sich noch einmal um und schaute in die Fahrerkabine.
Max erstarrte.
Anders als erwartet, war sie nicht leer. Durch die Frontscheibe schauten ihn drei Augenpaare aufmerksam an. Sie gehörten einer Frau, einem Kind und einem riesigen braunen Hund. Sie starrten ihn an und er sie. Alle gleichermaßen erstaunt und verwirrt.
Das war offenbar diese Phillippa, von der ihm der Detektiv berichtet hatte. Aber sie sah so … anders aus. Das Foto in der Mappe – offensichtlich ein Schnappschuss von einem Uni-Ball, auf dem Gianetta und sie als beste Freundinnen zusammen abgelichtet waren – musste fast zehn Jahre alt sein. Er hatte es lange aufmerksam studiert und dann entschieden, dass sie eine attraktive Frau war. Nicht schön im klassischen Sinn, aber sehr anziehend mit ihrem breiten Lächeln und den unzähligen Sommersprossen. Ihre roten Locken sahen aus, als ließen sie sich nur schwer zähmen, und ihre Figur konnte man eher als verführerisch weiblich denn als schlank und grazil bezeichnen.
Doch jetzt …
Okay, die Sommersprossen und roten Locken waren noch da, doch das schmale bleiche Gesicht, das sie ihm zuwandte, gehörte keinem unreifen Mädchen, sondern einer erwachsenen Frau, die offenbar schon lange keinen Schlaf mehr gefunden hatte. Es wirkte angestrengt, und die dunklen Schatten unter den großen Augen sprachen für sich.
Und der Junge an ihrer Seite? Das musste Luc sein. Er sah genau aus wie Thierry. Max spürte einen dicken Knoten in seinem Hals. Unzweifelhaft war er ein de Gautier.
Max versuchte, sich die Einzelheiten aus dem Bericht des Privatdetektivs in Erinnerung zu rufen.
Der Vormund des Jungen ist Phillippa Donohue. Sie leben auf einer Farm im Südwesten von Victoria, die den Eltern des Kindes gehörte, bis sie vor vier Jahren bei einem Autounfall ums Leben kamen.
Über Phillippa selbst hatte der Ermittler nur wenig herausgefunden. Offenbar war sie ausgebildete Krankenschwester, übte ihren Beruf in den letzten vier Jahren aber nicht mehr aus. In ihrer Ausbildungsakte war vermerkt, dass ihre Mutter starb, als Phillippa gerade mal zwölf war. Die Ausbildung hatte sie mithilfe eines Stipendiums absolviert, das nur durch herausragende Leistungen zu erlangen war.
Und über ihre derzeitigen Lebensumstände wusste Max noch weniger – eigentlich nur, dass sie zwischen ihm und dem zukünftigen Regenten von Monte Estella stand, auf den ein ganzes Volk hoffte und wartete.
Max wusste nicht, wie und wo er anfangen sollte, aber das brauchte er auch nicht, weil Phillippa Donohue die Initiative ergriff. Sie kurbelte die Seitenscheibe ein Stückchen herunter, sodass sie mit ihm reden konnte. Ein Zentimeter weiter, und die Insassen des Lieferwagens wären bald ebenso nass wie er.
„Sind Sie verrückt? Sie werden sich eine Lungenentzündung holen.“
Das konnte man schwerlich als herzliches Willkommen bezeichnen.
„Wo wollen Sie überhaupt hin?“
Offensichtlich hielt sie ihn für jemand, der nach dem Weg fragen wollte. Und so abgelegen, wie die Farm lag, mussten potenzielle Besucher schon ziemlich entschlossen sein, wenn sie ihr einen Besuch abstatten wollten. Und selbst dann war es noch möglich, dass sie ihr Ziel verfehlten.
Alles, was er bisher davon gesehen hatte, waren patschnasse Kühe, das kaputte Viehgitter, den stehen gebliebenen Lieferwagen und eine zerbeulte Milchkanne, die offenbar als Briefkasten diente. Auf einer Seite stand in ungelenken Lettern D&G Kettering.
Das G stand wohl für Gianetta.
Vier Jahre waren seit dem tödlichen Unfall von Gina und ihrem Mann vergangen. Und trotzdem war der Name in der Zwischenzeit nicht geändert worden. Was für eine Funktion mochte Phillippa Donohue hier genau haben? Schade, dass
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