JULIA EXTRA Band 0276
abweisend, sondern eher ein wenig neugierig. Er glaubte sogar so etwas wie Bedauern in ihrer Stimme zu hören. „Brauchen Sie ein Bett für heute Nacht?“
Das klang gut. „Ja.“
„In Tanbarook gibt es eine Pension. Kommen Sie morgen früh nach dem Melken wieder. Dann trinken wir eine Tasse Kaffee zusammen und können reden.“
„Äh … danke.“
Das Lächeln wurde breiter. „Tut mir leid, aber das ist alles, was ich Ihnen anbieten kann. Wir sind momentan ein wenig … gehandicapt. Also, wenn Sie am Ende der Straße rechts abbiegen, kommen Sie direkt nach Tanbarook.“
„Danke“, wiederholte Max, rührte sich aber nicht von der Stelle. Luc musterte ihn neugierig und ein bisschen abweisend, Phillippa mit ruhiger Freundlichkeit und der Hund mit der gütigen Nachsicht eines alten erfahrenen Haustiers.
„Warum sitzen Sie in einem Lieferwagen vor einem kaputten Viehgitter?“, fragte Max.
„Wir stecken fest.“
„Das sehe ich. Wie lange beabsichtigen Sie hier zu sitzen?“
„Bis es aufhört zu regnen.“
„Dieser Regen …“, sagte er bedächtig. „Vielleicht hört er ja nie mehr auf.“ Max schauderte, als ihm ein Schwall Wasser in den Kragen und dann den Rücken hinunterlief. Der Himmel wusste, was Phillippa von ihm halten mochte. Offensichtlich nicht viel, dachte er seltsam berührt.
Ein ungewohntes Gefühl für ihn. Normalerweise reagierten Frauen ganz anders auf Maxime de Gautier. Er war groß und muskulös, hatte schwarzes dichtes Haar und die dunklen markanten Züge, die für die Familie seiner Mutter typisch waren. Die internationale Regenbogenpresse bezeichnete ihn für gewöhnlich als umwerfend attraktiv und steinreich.
Doch Phillippa schien anderer Meinung zu sein. Offensichtlich wusste sie nicht, wen sie da vor sich hatte.
Und mit dieser Erkenntnis lag Max genau richtig. Nicht einmal sein Alter – Max war fünfunddreißig – konnte sie mit Sicherheit schätzen. Alles, was sie sah, war … Wasser.
„Vierzig Tage und vierzig Nächte am Stück ist ein Regenrekord“, informierte sie ihn. „Am besten, Sie gehen so schnell wie möglich zu Ihrem Wagen zurück.“
„Und warum gehen Sie nicht ins Haus, anstatt in dem engen Lieferwagen zu hocken?“
Bis jetzt hatte Luc noch keinen Ton von sich gegeben, doch offenbar hielt er es für notwendig, sich zu diesem Punkt zu äußern.
„Wir wollten uns gerade Fisch und Chips holen“, erklärte er ernsthaft. „Aber dann sind wir in dem Gitter stecken geblieben. Jetzt müssen wir warten, bis es aufhört zu regnen. Dann suchen wir Mr. Henges und bitten ihn, uns mit seinem Traktor rauszuziehen. Phillippa sagt, wir können genauso gut im Wagen sitzen bleiben, weil es hier wärmer ist als im Haus. Wir haben nämlich kein Holz mehr.“
„Das interessiert den Gentleman doch gar nicht“, murmelte Phillippa verlegen.
„Aber wir sind schon so lange hier, und ich habe schrecklichen Hunger.“
„Schh …“
Luc, der sich inzwischen in Fahrt geredet hatte, erinnerte sich plötzlich an seine Manieren. „Ich bin Luc, das ist unsere Phillippa und unser Hund Dolores“, stellte er sich und seine Begleitung förmlich vor. „Und auf dem Rücksitz, das sind Sophie und Claire. Sophie ist die mit den roten Haarbändern, Claire hat blaue.“
Sophie und Claire … auf dem Rücksitz.
Max versuchte, durch den schmalen Spalt des Seitenfensters zu linsen. Ja, da waren tatsächlich zwei weitere Kinder. Er konnte ihre kleinen Gesichter sehen, die große Ähnlichkeit mit Luc aufwiesen. Runde Gesichter, eingerahmt von Zöpfchen mit roten und blauen Haarbändern. Zwillinge?
Sind das Phillippas Kinder? überlegte Max. Aber warum sahen sie dann aus wie Luc?
Egal, entschied Max. Ihn interessierte einzig und allein der Junge. „Ich freue mich, euch alle kennenzulernen“, behauptete er. Was für ein verrückter Ort für eine höfliche Salonkonversation, aber irgendwie mussten sie schließlich vorankommen. „Ich bin Max.“
„Hi“, sagte Phillippa und legte eine Hand auf die Fensterkurbel. „Wir sehen uns dann morgen wieder …“
„Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“, fragte Max hastig.
„Das ist nicht nötig.“
„Ich könnte Sie rausziehen.“
„Haben Sie denn ein Abschleppseil?“
„Äh … nein.“ Der Mercedes war schließlich ein Mietwagen. Natürlich hatte er kein Abschleppseil. „Soll ich Mr. Henges suchen und ihn samt seinem Traktor herholen?“
„Der rührt sich nicht aus dem Haus, solange es schüttet“, lautete die lakonische
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