JULIA EXTRA Band 0276
erstaunt.
„Ich lüge nicht, Phillippa. Ich habe wirklich lange bei meinen Großeltern gelebt und beim Melken geholfen. Auf unserem Hof gab es sogar einen ähnlich veralteten Melkstand wie diesen hier.“
Zögernd trat Phillippa einen Schritt zurück und beobachtete gespannt, wie Max das nächste Euter säuberte und die Zitzenbecher anbrachte. Die Kuh schien nichts dagegen zu haben. Max trug die gewohnte Regenjacke, und bei diesem Wetter erschien ihnen wohl ein verkleideter Mensch wie der andere. Langsam verließ Phillippa den Stall, um weitere Kühe reinzuholen.
„Erzählen Sie mir alles über diesen … Thronfolgekram“, forderte sie, als sie die nächste Kuh für Max bereitstellte. Da im Hintergrund ein Radio spielte, musste sie ziemlich laut reden, um sich verständlich zu machen. „Was meinten Sie mit den … unterschiedlichen Namen väterlicherseits? Hat Alice deshalb ein Fragezeichen hinter Ihren Namen gesetzt?“
„Hat sie das?“
Phillippa nickte.
„Es ist eine … ziemlich unschöne Familiengeschichte.“
„Sie kann nicht schlimmer sein als meine“, sagte sie gepresst. „Und wenn sie Luc betrifft, dann muss ich die Wahrheit wissen.“
Max hasste es, seine Mutter zu diffamieren, aber immerhin hatte sie es selbst von ihm verlangt. „Meine Mutter war mit Edouard, dem Enkel von Kronprinz Etienne, verheiratet … Bernards Cousin. Sie und Edouard bekamen einen Sohn – Thierry. Dann hatte meine Mutter eine Affäre. Sie war immer noch verheiratet, als ich zur Welt kam, aber Edouards Name wurde nicht in meine Geburtsurkunde eingetragen.“
Einen Moment lang schienen beide in ihre Gedanken versunken zu sein. „Dann können Sie also nicht Kronprinz werden?“
„Nein.“
„Aber Sie haben eine Menge mit der Fürstenfamilie zu tun?“
„Nein. Meine Mutter und ich sind kurz nach meiner Geburt nach Frankreich gezogen, wo wir immer noch leben.“
„Aber Sie sprechen sehr gut Englisch.“
„Meine Großmutter mütterlicherseits war Engländerin. Sie redete mit mir grundsätzlich in ihrer Muttersprache, um zu verhindern, dass ich ein französischer Rüpel wurde, wie sie es nannte.“
„Hmm.“ Phillippa nickte, als fühle sie sich in irgendetwas bestätigt und holte die nächste Kuh. Im Radio lief gerade der Popsong „Tell Laura I Love Her“. Und als Max hörte, dass Phillippa ohne eine Spur von Verlegenheit laut und voller Pathos mitsang, wollte er seinen Ohren kaum trauen.
Die Kühe zuckten mit keiner Wimper, Max hingegen schon. Da stand Phillippa, hoch aufgerichtet wie eine Galionsfigur in einem Meer nasser, dreckiger Rindviecher und besang die Liebe. Noch vor fünf Minuten hätte er geschworen, sie weinen zu sehen. Sie hatte geweint, dessen war er sich ganz sicher.
Max widmete sich wieder seiner Arbeit und hörte Phillippa zu. Irgendwann wurde Laura von „The Last Waltz“ abgelöst, gefolgt von Olivia Newton-John mit „I Am Woman“. Plötzlich ertappte er sich dabei, wie er mit dem Fuß wippte und mitsummte.
„Sie singen gar nicht“, stellte Phillippa fest und gab der nächsten Kuh einen freundschaftlichen Klaps aufs knochige Hinterteil.
„Hm … nein.“
„Nicht einmal unter der Dusche?“
„Ich verweigere die Aussage.“
Phillippa lachte. „Also doch! Warum unterstützen Sie mich dann nicht?“
„Ich lausche lieber Ihrer betörenden Stimme.“
Phillippa verzog das Gesicht, als habe sie plötzlich Zahnschmerzen. „Männer!“
„Sie halten wohl nicht viel von ihnen?“
„Möglicherweise ist es ja auch umgekehrt“, erwiderte sie spröde. „Auf jeden Fall finden sie meine Outfits nicht besonders sexy.“
Outfit? Sexy? Unter ihren unförmigen Windjacken, von denen er inzwischen bereits zwei hatte begutachten können, war ihre Figur kaum zu erahnen. Und trotzdem, sie hatte etwas an sich, das ihn anzog und ziemlich unruhig machte.
Erneut rief Max sich zur Ordnung. Phillippas äußerliche Vorzüge hatten nichts damit zu tun, weshalb er hier war. Ebenso wenig wie ihr ansteckender Sinn für Humor, ihr bezauberndes Wesen, ihre …
Sobald er und Luc in Monte Estella gelandet waren, mit oder ohne Phillippa, spielte das ohnehin keine Rolle mehr. Er würde Charles Mevaille als offiziellen Vertreter des zukünftigen Prinzregenten einsetzen und endlich in seine Firma nach Paris zurückkehren können. Charles war kompetenter, als er selbst es je sein würde, was das Regierungsgeschäft betraf.
Sicher würde es Gelegenheiten geben, bei denen seine Anwesenheit in Monte
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