JULIA EXTRA Band 0276
und Selbstvorwürfe endlich fallen und konzentriere dich auf dich und dein Baby.“ Sein Blick wurde schärfer. „Ein guter Anfang wäre, bei Mikos anzurufen. Ich bin sicher, er sitzt im nächsten Flieger hierher, sobald er von der Schwangerschaft erfährt.“
Ohne Zweifel, dachte sie. Und auch das wieder nur aus Verantwortungsgefühl. Niemals würde sie ihr Baby dazu benutzen, ihn zurückzuholen, nachdem sie ihn selbst fortgeschickt hatte.
Der Oktober war im Gegensatz zum Vormonat trocken und sonnig. Überall auf der Insel schmückten die Menschen ihre Häuser für Thanksgiving, aber Gina machte sich erst gar keine Mühe. Schließlich gab es niemanden, dem auffallen würde, ob sie geschmückt hatte.
Doch Sams Ehefrau Heather belehrte sie eines Besseren, als sie eines Morgens mit einem Blumengesteck vor der Tür stand. „Ich dachte, die hier würden gut auf deine Veranda passen“, sagte sie strahlend zu Gina. „Wie geht es dir, meine Liebe?“
Gina zeigte auf einen Farbeimer, der in der Ecke stand. „Ich renoviere wie verrückt. In den letzten Jahren habe ich einiges schleifen lassen. Aber jetzt ist genug Zeit, um das aufzuholen.“
„Aber nicht heute Nachmittag. Da musst du zu uns zum Essen kommen. Du kannst es vertragen. Bis auf dein kleines Bäuchlein bist du viel zu mager.“
Erschrocken legte Gina eine Hand auf ihren Bauch. „Sam hat es dir erzählt?“
„Das brauchte er nicht“, antwortete sie lächelnd. „Man kann es sehen. Bald wird die ganze Insel wissen, dass Gina Hudson schwanger ist. Und wenn du glaubst, es interessiert jemanden, ob du verheiratet bist, muss ich dich leider enttäuschen. Wir wollen alle nur, dass du glücklich bist.“ Sie wandte sich zum Gehen. „Aber darüber sprechen wir später noch. Wir sehen uns um vier, Gina. Ich freue mich.“
Diese Einladung hatte Gina zwar überrumpelt, trotzdem war es ein schönes Gefühl, so liebe Menschen um sich zu haben. Sie freute sich auf das Essen in familiärer Atmosphäre und fühlte sich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder zufrieden.
Ja, es war innerer Frieden, den sie empfand. Und zu ihren Füßen wippten Heathers Blumen mit ihren Köpfen, als wollten sie Gina zustimmen.
12. KAPITEL
Die Abenddämmerung brach herein, als Mikos mit seinem Mietwagen von der Fähre herunterfuhr. Es war eines von fünfzig Autos, die diese letzte Fährfahrt bestückten.
„Es ist Thanksgiving, deswegen“, hatte ihm ein anderer Passagier erklärt. „Alle sitzen zu Hause und stopfen sich mit Truthahn voll. Sie können nicht von hier stammen, wenn Sie das nicht wissen.“
„Richtig. Ich komme aus Übersee.“
„Erwartet Sie jemand?“
„Nein, es soll ein Überraschungsbesuch werden.“
Der Mann grinste gut gelaunt. „Da haben Sie sich den besten Tag für so eine Überraschung ausgesucht. Es gibt überall genug zu essen.“
War Gina irgendwo eingeladen? War sie ausgegangen? War sie überhaupt noch auf der Insel?
Tausend Fragen schossen ihm durch den Kopf, und seine Anspannung wuchs von Minute zu Minute.
Er hatte versucht, Angelo über Gina auszufragen, aber der Alte war hart geblieben. „Ich werde meine fragile Beziehung zu meiner Enkeltochter nicht deinetwegen aufs Spiel setzen. Wenn du wissen willst, wie es ihr geht, frag sie selbst.“
Mindestens hundert Mal hatte Mikos zum Telefonhörer gegriffen. Doch er schaffte es nicht, über seinen Schatten zu springen und tatsächlich anzurufen. Erst in den letzten Tagen wurde ihm allmählich klar, dass er bereit war, eine zweite Abfuhr von Gina zu riskieren. So sehr wollte er sie in seinem Leben haben.
Gina verließ die Irvings um neun Uhr abends, beladen mit den Resten des üppigen Essens. „Falls du später noch einen Snack haben möchtest“, sagte Heather bestimmt und bestand darauf, ihr eine volle Tüte mitzugeben.
Allerdings bezweifelte Gina, dass sie noch einen Bissen herunterbringen konnte. Nicht vor morgen Vormittag!
Gemächlich spazierte sie die kurze Strecke nach Hause und bemerkte, dass ihre Nachbarn offensichtlich eine größere Party gaben. An der Straße entlang parkten mehrere Autos.
Nach Sonnenuntergang war die Temperatur abgefallen, und die Abendluft war kühl und feucht.
„Ich hätte die Fenster nicht offen lassen sollen“, murmelte Gina, während sie ihren Hausschlüssel suchte.
Die Feier nebenan war in vollem Gang, und die Musik klang zu ihr hinüber. Aber es war ein anderes Geräusch, viel dichter, das sie erschrocken herumfahren ließ.
„Nein, hättest du
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