JULIA EXTRA Band 0276
dran gewesen war, sie zu küssen, hatte sie gespürt.
„Ja, wenn du diese Frau triffst, die vorgibt, deine Mutter zu sein.“
„Sie ist meine Mutter.“
„Ist sie das wirklich? Mehr als Ivy? Es tut mir leid, aber ich kriege das einfach nicht in meinen Kopf.“
„Ach wirklich?“ Dass ihre Stimme so zynisch klang, konnte sie nicht ändern. Warum hatte er sie nicht geküsst? „Wenn es dir so schwerfällt, warum versetzt du dich dann nicht einfach mal in meine Lage?“
„Fühl dich doch nicht gleich angegriffen, Lou.“
„Du meinst also, ich soll lieber wieder das süße kleine Mädchen sein und kein Drama aus den Dingen machen, nicht wahr?“
„Süß? Klein?“ Max schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, meine Liebe, die Erwachsenen mögen dir damals auf den Leim gegangen sein. Mir gegenüber hast du diese liebliche Seite immer bestens verborgen gehalten.“
Am liebsten hätte sie ihm entgegengeschleudert, dass er sich das selbst zuzuschreiben hatte. Schließlich verstand er es wunderbar, die schlechtesten Seiten aus ihr herauszuholen. Und jetzt hätte sie ihn zu gern einfach ins Taxi gezogen und wäre ein wirklich böses Mädchen gewesen.
Stattdessen atmete sie tief durch. Sie durfte nicht schon wieder die Selbstbeherrschung verlieren. Im Grunde hatte sie von Anfang an gewusst, dass sie ihm irgendwann nachgeben würde. Nicht wegen ihrer Familie oder des Bella Lucia, sondern einzig und allein seinetwegen. Sie würde ihm helfen. Aber zu ihren eigenen Bedingungen.
Kein Geld, nein.
Dann kam ihr eine Idee, und sie sah ihm in die Augen. „Ich brauche niemanden, der meine Hand hält, Max.“
„Ich mische mich nicht ein. Ich werde einfach da sein, wenn du einen Freund brauchst, jemanden zum Reden.“
„Dich?“ Entgeistert starrte sie ihn an. „Du bist doch voll und ganz mit den Restaurants ausgelastet.“
„Die Zeit nehme ich mir.“
Zweifelnd hob sie eine Augenbraue.
„Ich verspreche es.“
„Gut. Sag mir nur, Max, wird es wie damals sein, als du versprochen hast, mich zum Schulball zu begleiten?“ Sie wartete seine fadenscheinige Erklärung dafür, dass er sie hatte sitzen lassen, gar nicht mehr ab. Herausgeputzt und voller Freude auf ihren ersten Ball … Und ihr Vater wollte sie nicht mit einem anderen Jungen losschicken. Nicht dass sie jemand anders gewollt hatte. „Damals, als es offenbar keine Telefone gab, um eine Verabredung abzusagen.“
„Du weißt genau, was passiert ist“, protestierte er. „Das Personal war an dem Abend knapp, und als ich es bemerkte, konnte ich nicht mehr weg.“
„Ja, Max.“ Jedenfalls wusste sie, wie viel seine Versprechen wert waren. „Genau wie an dem Tag, als du versprochen hast, mich zum Flughafen zu bringen.“
Er runzelte die Stirn, und Louise wusste nur zu gut, dass sie sich selbst mehr wehtat als ihm, wenn sie sich all die Male in Erinnerung rief, die er sie im Stich gelassen hatte.
„Ich werde da sein“, beharrte er. „Ich werde da sein.“
„Wenn nicht zufällig etwas Wichtigeres dazwischenkommt.“
Doch sie brauchte sich keine Sorgen zu machen. Irgendetwas kam ihm immer dazwischen. Sobald er arbeitete, vergaß er alles um sich herum. Ohne weitere Beteuerungen abzuwarten, zog sie die Tür zu und gab dem Fahrer ihre Adresse.
Fassungslos sah Max dem Taxi nach. Warum reagierte Louise immer so auf ihn, und weshalb stellte er sich so ungeschickt an?
Doch zuerst musste er ins Restaurant zurück, die Rechnung begleichen und sich entschuldigen. Louise würde ihn wegen dieses Gedankens schon wieder belächeln. Erst die Arbeit und dann das Vergnügen. Nur, dass es immer Arbeit gab.
Vielleicht hatte sie in diesem Punkt sogar recht, aber morgen wäre ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit sicher. Selbst wenn alle Restaurants gleichzeitig abbrannten, würde er ihr zur Seite stehen, und das nicht nur, um sie fürs Bella Lucia zu gewinnen.
Max konnte einfach nicht zulassen, dass sie sich von ihrer Familie abwandte. Ihr ganzes Leben lang war immer jemand für sie da gewesen. Und wenn es nach ihm ging, sollte das auch so bleiben.
Immerhin hatte sie sich ihm gegenüber nie gescheut, ihre Gefühle zu zeigen. Im Gegenteil. Er lächelte – zumindest etwas Positives.
Zu Hause folgte er seinem eigenen Rat, stellte sich unter die heiße Dusche und ging in Gedanken Louise’ Vorschläge durch. Und schon kamen ihm immer mehr Fragen in den Sinn. Doch was hatte sie gesagt? Eher würde sie sterben, als für ihn zu arbeiten …
Trotz seiner Frustration
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