JULIA EXTRA Band 0276
…“
Vor die Wahl gestellt, den Rest des Nachmittags durchzuarbeiten, Max die Leviten zu lesen oder nach Hause zu fahren und Gastgeberin für ihren unerwünschten Gast zu spielen, entschied sich Louise, shoppen zu gehen.
Sie entdeckte einen wunderschönen Mantel, leuchtend rot und warm, der ihre Mutter im Hinblick auf die Kälte in den Bergen beruhigt hätte. Und dann bemerkte sie, dass sie ihr Handy in der Hand hielt.
Ruf ihn an …
Energisch schüttelte sie den Kopf und steckte das Handy wieder ein. Sie rief sich die unerfreuliche Szene in der Küche ins Gedächtnis und ging ins nächste Kaufhaus. Dort erstand sie einen Schal und dazu passende Handschuhe.
Und am Ende kaufte sie noch eine Garnitur Spitzenunterwäsche. Sie wusste selbst nicht warum, jedenfalls nicht, um ihre Mutter zu beruhigen.
Kaum zu Hause angelangt, wollte Cal sie zu einer Kneipentour überreden, doch Louise schützte Arbeit vor. Als er fort war, ging sie mit ein paar Büchern über Meridia früh zu Bett.
Die ganze Woche hatte sie es nicht geschafft, ins Fitnessstudio zu gehen. Also fuhr sie am Sonntag nach einer Nacht voll wirrer Träume dorthin und trainierte verbissen. Den Rest des Tages verbrachte sie mit ausgeschaltetem Handy im Büro.
Als es am nächsten Morgen an der Tür klingelte, schlüpfte Louise in ihren neuen Mantel, schwang sich die Reisetasche über die Schulter und murmelte im Hinausgehen: „Es wird alles gut gehen.“
Max wartete mit laufendem Motor. „Hast du alles?“
„Alles Wichtige.“ Louise setzte sich auf den Beifahrersitz und schnallte sich an.
Den patzigen Ton verdiente er. Wenn er ihr nicht einmal einen guten Morgen wünschte.
„Alles Wichtige.“ Sie zählte die Dinge an den Fingern ab. „Haarspray, Lippenstift, Fingernagelset für den Notfall …“ Es war verlockend, ihn zu reizen. Andererseits wollte sie ihn nicht wütend machen. „Sicherheitsnadeln“, fügte sie also lächelnd hinzu.
Max lächelte leicht.
Sie erreichten den Flughafen in Rekordzeit, wahrscheinlich weil sie so konsequent schwiegen.
Als sie am Terminal hielten, reichte Max Louise einen Umschlag mit seinen Ausweisen.
„Du checkst ein, und ich parke den Wagen.“
Das war ein klarer Befehl, und am liebsten hätte Louise Max erklärt, wohin er sich Meridia und das ganze Bella Lucia stecken konnte. Doch sie musste es versuchen.
„Gut. Ich bin …“
„Ich finde dich schon, Louise“, schnitt er ihr das Wort ab. „Und jetzt setz dich in Bewegung, bevor ich einen Strafzettel bekomme.“
Louise widerstand dem Reiz, ihm seinen Ausweis vor die Füße zu werfen. Warum war er so unausstehlich? Nur wegen Cal? Aber das hieße ja …
… dass Max eifersüchtig war.
Ungläubig blickte sie ihm ins Gesicht, dann stieg sie aus.
„Reisen Sie gemeinsam?“, fragte die Stewardess mit dem Frühstückstablett, als sie im Flieger nebeneinander saßen.
Louise schüttelte den Kopf. „Ich habe den Mann noch nie gesehen.“
„Dann wissen Sie sicher auch nicht, ob wir ihn zum Frühstück wecken sollen.“ Wahrscheinlich hatte sie heute schon eine Auseinandersetzung gehabt, weil sie jemanden geweckt hatte, der gar nicht frühstücken wollte.
„Warten Sie, ich glaube, er erwähnte, dass er sich darauf freut.“
Die Stewardess lächelte, und Max schlug die Augen auf.
„Das wäre eine gute Gelegenheit, um deine Sicherheitsnadeln zu benutzen, Lou“, bemerkte er. „Um deine Lippen zu versiegeln.“
Er bereute die Worte, sobald sie heraus waren. Das Wochenende über hatte er sich immer wieder eingeredet, dass man Arbeit und Vergnügen trennen musste. Und trotzdem kam ihm schon wieder ein unpassender Kommentar über die Lippen.
Wortlos öffnete Louise ihre Tasche und hielt ihm eine geöffnete Sicherheitsnadel entgegen. „Tu dir keinen Zwang an, Max.“
Im strahlenden Licht des blauen Himmels leuchteten ihre grauen Augen wie reines Silber, und einen Moment brachte Max kein Wort hervor.
Da schürzte sie provokativ die Lippen. „Mach schon.“
„Die Nadel ist ein bisschen zu klein“, murmelte er, was es auch nicht besser machte.
„Ich habe also einen großen Mund, ja?“
Auf diese Frage gab es keine einzige richtige Antwort. „Zumindest zu groß für diese Nadel.“ Er schloss seine Hand um ihre.
Neun Kilometer über der Erde konnte sie ihm nicht davonlaufen.
„Tut mir leid“, murmelte sie. Dabei umspielte ein unschuldiges Lächeln ihre Lippen. Ohne es sehen zu können, wusste Max, dass sie auf der linken Wange beim Lächeln
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