JULIA EXTRA Band 0281
musterte ihn streng.
Er musste sich zwingen, unter dem eindringlichen Blick ruhig stehen zu bleiben.
„Ja, richtig!“ Sie wies mit dem Pinsel auf ihn, und er wäre beinahe zurückgezuckt. „Tom Campbell, der Mann für alles“, wiederholte sie. „Okay.“
Nach einem kurzen Blick auf die roten Spritzer auf dem blauen Bild fluchte sie nochmals. Anscheinend war es ihr egal, dass sie nun Gesellschaft hatte.
Tom lächelte. Wenn die Schwestern Barclay über die Vorliebe der Dame fürs Fluchen Bescheid wüssten, würden sie ihr den Titel „Lady“ bestimmt sofort wieder aberkennen.
Sie schüttelte kurz den Kopf und kam auf ihn zu. Ihr Gang war sehr anmutig, fast wie der einer Ballerina. Jeans und T-Shirt saßen locker, ganz so, als hätte sie in letzter Zeit abgenommen und noch keine Zeit oder Lust gehabt, sich neue Sachen zu kaufen. Oder wieder zuzunehmen.
Sie war auch ziemlich groß, ungefähr einen Meter fünfundsiebzig, schätzte Tom und richtete sich unwillkürlich zu seiner vollen Größe von einem Meter zweiundachtzig auf.
Während sie auf ihn zukam, nahm sie das Tuch aus dem Haar und steckte es in die Hosentasche. Das blonde Haar schüttelte sie kurz aus und band es mit einem Gummiband zusammen.
Das ist sicher nur Gewohnheit, dachte Tom. Keineswegs wirkte sie so, als wollte sie ihre Vorzüge ins rechte Licht rücken. Aber die Vorstellung hatte ihm, wie er zugeben musste, durchaus gefallen.
Ohne ein Wort ging sie an ihm vorbei und weiter in eine große Küche, wohin er ihr folgte. Auch dieser Raum war spartanisch eingerichtet. Es gab keine mit Magneten befestigten Kinderzeichnungen am Kühlschrank, auch keine Notizen oder Einkaufslisten. Keine Blumen auf der Fensterbank, keine Krüge mit unterschiedlichsten, nicht zusammenpassenden Küchenutensilien, wie sie in den meisten Häusern standen, in denen er arbeitete.
Laut den Schwestern Barclay lebte Miss Bryce schon seit Monaten in Portsea, aber im Haus sah es aus, als wäre sie gerade erst eingezogen und hätte noch nicht alle Umzugskisten ausgepackt.
Und wenn sie ihm nicht bald sagte, was sie von ihm wollte, würde er sich verabschieden. Es war ein herrlicher Frühlingstag, ideal zum Angeln, denn die Fische würden bestimmt anbeißen …
„Was kann ich denn nun für Sie tun, Miss Bryce?“, erkundigte Tom sich schließlich.
Sie füllte den Wasserkocher, schaltete ihn ein und lehnte sich gegen die Spüle. „Maggie“, sagte sie überraschend. „Als Erstes möchte ich, dass Sie mich Maggie nennen.“
„Okay – wenn Sie mich Tom nennen“, erwiderte er und hielt ihr die Hand hin.
Sie schüttelte diese energisch. Ihre Hand war schmal, aber kräftig, die Handfläche rau und schwielig, beinahe so wie seine. Er hielt sie einen Moment länger als üblich fest, während ihr Parfüm ihn kurz einhüllte.
Es war ausgerechnet Ainos – ein schwerer, würziger Duft, den er einmal, überredet von einer hübschen Verkäuferin, seiner Schwester zu Weihnachten gekauft hatte, obwohl er überhaupt nicht zu Tess passte, die fröhlich und lebhaft gewesen war. Sie hatte das Parfüm auch nie benutzt, worüber sie beide oft gescherzt hatten.
Für Maggie Bryce hingegen war der Duft wie geschaffen, denn sie war, trotz ihrer abweisenden Art, einfach hinreißend.
Und ich bin, dachte Tom – durchaus selbstironisch – ausgesprochen liebenswert, also steht einer Sommerromanze nichts im Weg. Er musste nur Maggie zuerst von seiner Idee überzeugen.
„Sie wohnen hier draußen also ganz allein?“, meinte er und ließ endlich ihre Hand los.
„Ich habe Smiley“, erwiderte sie und verschränkte die Arme. „Sie haben ihn bestimmt schon an der Haustür kennengelernt.“
„Ja. Er ist sicher ein interessanter Hausgenosse.“
Maggie lachte leise und sah ihm in die Augen. „Ich ziehe ihn jeder anderen männlichen Gesellschaft vor.“
„Klar. Wer würde das nicht.“
Tom überlegte, dass es in seinem Leben durchaus Frauen gegeben haben durfte, denen er nicht gefiel … sowohl früher in Sydney, wo er als guter Fang gegolten hatte, als auch hier in Sorrento, wo man ihn als zufriedenen Eigenbrötler einschätzte. Aber keine von ihnen hatte ihn mit einem direkten Blick gewarnt, an eine Affäre nicht einmal zu denken. Maggie war die Erste.
„Vermutlich ist Smiley aber kein begnadeter Heimwerker“, meinte er humorvoll. „Sonst hätten Sie nicht meine Hilfe angefordert.“
„Ja, und ich habe ihm deswegen schon die Leviten gelesen“, erwiderte sie im selben Ton.
Tom
Weitere Kostenlose Bücher