JULIA EXTRA Band 0281
zwei jungen Mädchen in Dienstbotentracht, um das Essen aufzutragen.
Zu Tamsins Verdruss gab Marcos sie augenblicklich frei und setzte sich wieder auf seinen Platz.
„Ich serviere das ganze Dinner auf einmal, wie Sie es gewünscht haben“, erklärte die Haushälterin auf Spanisch und warf Tamsin einen strengen Blick zu, der sie verwirrte. Was mochte die Hausangestellte gegen sie haben? „Um Ihr romantisches Tête-à-Tête nicht zu stören“, fügte sie säuerlich hinzu.
„Danke, Nelida“, entgegnete Marcos in der gleichen Sprache. „Was würde ich nur ohne dich tun?“
Die untersetzte Frau mittleren Alters lächelte geschmeichelt. „Vor Hunger sterben, möchte ich wetten. Nur von diesem schwarzen Kaffee und ein paar tapas kann ein ausgewachsenes Mannsbild auf Dauer nicht überleben. Sie haben in Madrid schon wieder an Gewicht verloren“, tadelte sie ihren Arbeitgeber mit liebevoller Strenge.
„Aber ich komme immer wieder hierher zurück, um mich von dir aufpäppeln zu lassen, Nelida“, schmeichelte Marcos in einem Ton, den Tamsin bisher nicht von ihm gehört hatte.
„Ich glaube, deine Haushälterin mag mich nicht“, formulierte sie ihre Gedanken laut, nachdem Nelida und die beiden Mädchen gegangen waren.
„Es ist nichts Persönliches“, versicherte Marcos und bestrich eine noch warme Brotscheibe dick mit Butter. „Nelida war früher meine Nanny und kennt mich fast mein ganzes Leben lang. Sie ist sehr konservativ und ziemlich besitzergreifend. Und von losen Frauenzimmern hält sie rein gar nichts.“ Er sagte das in einem gleichmütigen Ton, der Tamsin die Sprache verschlug.
Lose Frauenzimmer! Mit zusammengekniffenen Lippen inspizierte Tamsin ihr Dinner. „Was ist das?“, wollte sie wissen.
„Das Rote hier heißt salmoreo. Es ist eine Tomatensuppe, die mit Brotkrumen angedickt und mit gehackten Eiern und Schinken bestreut wird.“
Zögernd probierte Tamsin einen Löffel voll und war überrascht. Die Suppe war kalt, aber köstlich. „Es schmeckt wie Gazpacho.“
„Ja.“
„Und das?“
„ Pato a la Sevillana. Gebratene Ente mit gedünsteten Zwiebeln, Porree und Karotten. Dazu frisch gebackenes Brot, Nelidas Spezialität.“
Tamsin probierte von allem ein paar Bissen und stellte dabei zwei Dinge fest. Erstens starb sie fast vor Hunger, und zweitens würde sie unweigerlich ein paar Pfund zunehmen, sollte Marcos sie hier länger gefangen halten. Natürlich nur, wenn Nelida ihr kein Gift unters Essen mischte!
„Und? Genießt du es?“ Marcos schaute sie an, als rede er nicht unbedingt vom Essen, und Tamsin fragte sich langsam, ob sie tatsächlich so dumm und liederlich war, wie er dachte. Wie sonst könnte sie sich von einem so kalten, herzlosen Mann angezogen fühlen? Nur mit Mühe gelang es ihr, sich auf das unbestreitbar köstliche Essen zu konzentrieren.
„Es schmeckt vorzüglich“, versicherte sie schnell. „Deine Haushälterin scheint eine Zauberin in der Küche zu sein.“
Während der nächsten Stunde plauderte sie munter, klapperte mit den Augenlidern, lachte immer wieder perlend auf und versäumte keine Gelegenheit, ihrem Gastgeber, wie um ihren albernen Anekdoten Nachdruck zu verleihen, immer wieder die Hand auf den Arm zu legen oder unabsichtlich seinen Schenkel mit ihrem Knie zu berühren.
Dabei versuchte sie ihr Bestes, mehr über seine Rachepläne zu erfahren, musste sich aber frustriert eingestehen, dass all ihre Mühe umsonst zu sein schien. Marcos selbst sprach sehr wenig, und wenn, dann nur über unwichtige Dinge.
Nachdem so ziemlich jedes Thema erschöpft war, von dem sie annahm, dass es ihn interessieren könnte – inklusive Reisen, Business und Fußball –, gab sie schließlich auf.
Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie mit einem so sturen, entnervenden und beunruhigenden Mann zu tun gehabt. Möglicherweise hatte sie ja auch ihre angeblich so verheerende Wirkung auf das andere Geschlecht eingebüßt.
Na gut, dachte sie gereizt, wenn du es nicht anders willst, wollen wir mal sehen, wie du damit zurechtkommst.
Von einer Sekunde zur anderen war Tamsin plötzlich auffällig einsilbig, und so verlief der Rest ihrer Mahlzeit in tiefem Schweigen.
„Du warst wirklich sehr hungrig, nicht wahr?“, stellte Marcos in neutralem Ton fest, als sie ihren Teller mit einer bezeichnenden Geste von sich schob.
„So eine Entführung ist ziemlich kräftezehrend“, gab sie ohne zu überlegen zurück und lachte dann leise, als wäre das als Scherz gedacht
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