JULIA EXTRA Band 0281
den Mann offenbar noch immer liebte. Nach achtundzwanzig Jahren!
„Jedenfalls würde ich auf diese sechs Monate um nichts in der Welt verzichten wollen“, sagte Ashleigh und strich Maggie mit einem Finger sanft über die Wange. „Verstehst du?“
Maggie nickte. Liebe war nie einfach. Vielleicht fühlte sie sich deshalb so stark zu Tom hingezogen, weil er im Grunde distanziert blieb, bei aller Wärme und Nettigkeit. Sie war immer bei Männern gelandet, die letztlich unfähig waren zu lieben. Oder zumindest sie, Maggie, nicht lieben konnten … Und trotzdem war es besser als nichts. Oder?
Nun kamen Freya und Sandra wieder herein, Tom folgte ihnen auf dem Fuß.
„Ich habe Lust auf eine Tasse Kaffee“, verkündete er. „Wer möchte auch welchen?“
Freya sagte, sie könne einen schönen starken Kaffee jetzt brauchen, Sandra begleitete Tom in die Küche, wobei sie ihn ungeniert anhimmelte.
Maggie stand auf, als sie Smiley an der Haustür winseln hörte. Der Hund tat das sonst nie, er war der schlechteste Wachhund aller Zeiten.
Die Tür stand offen, eine warme Brise wehte in die Halle. Smiley blickte nach draußen und wedelte begeistert mit dem Schwanz.
„Smiley, was ist plötzlich in dich …“, begann Maggie, brauchte aber nicht weiterzufragen, denn der Grund für die Aufregung des Hundes kam herein. „Carl! Was machst du denn hier?“
10. KAPITEL
Tom folgte Sandra aus der Küche und blies dabei auf den Becher mit Kaffee, den er für Maggie eingegossen hatte.
Die saß aber nicht mehr entspannt auf ihrem neuen Sofa, sondern stand in der Eingangshalle an der offenen Haustür und sprach mit einem großen Mann mit grau melierten Haaren, der einen teuer aussehenden Anzug und eine elegante Krawatte trug.
Maggie blickte sich kurz nach ihren Freundinnen um, dann zog sie den Mann nach draußen in den vorderen Garten. Smiley folgte ihnen gemächlich, dann fiel die Haustür ins Schloss.
Plötzlich wurde Tom klar, wo er den Mann schon einmal gesehen hatte: auf den Fotos einer Vernissage im Internet. Neben Maggie stehend … Das musste ihr Ehemann sein, der Schuft, der aus ihren wunderbaren grauen Augen das Strahlen vertrieben hatte.
Tom stellte den Becher so heftig hin, dass der Kaffee überschwappte. Freya wischte gerade Krümel vom Tisch, Sandra setzte sich neben sie, und Ashleigh blickte Tom forschend an. Vor der Frau ließ sich nichts geheim halten. Sie hatte offenbar übersinnliche Fähigkeiten, zumindest konnte sie gut Gedanken lesen.
„War das Carl?“, fragte er.
Ashleigh nickte nur.
„War wer Carl?“, wollte Freya wissen, und unwillkürlich blickte Tom zum Eingang. „Wie? Er ist hier?“, zischte sie empört.
Sandra stand so hastig auf, dass ihr Stuhl beinahe umgefallen wäre. „Dieser Mistkerl!“, schimpfte sie heftig. „Er hat unsere Maggie mit gebrochenem Herzen und ohne Geld sitzen gelassen, während er sich in der Stadt wie ein Krösus amüsiert. Na wartet, wenn ich den in die Finger kriege, dann wird er …“
Ashleigh hielt beschwichtigend die Hand hoch, und Sandra hörte auf zu schimpfen. Tom bekam es nur am Rand mit, denn er versuchte sich vorzustellen, was Carl und Maggie zu besprechen hatten.
Maggie zog Carl so weit von der Tür weg, bis sie sicher war, dass niemand drinnen sie beobachten oder belauschen konnte. Ihr Herz pochte so laut, dass sie ihre eigenen Worte kaum verstand.
„Wie geht es Becca?“, fragte sie zu ihrer eigenen Überraschung als Erstes.
„Sie hatte eine Frühgeburt“, informierte Carl sie lakonisch, ohne auch nur Guten Tag gesagt zu haben. „Das Baby ist acht Wochen zu früh auf die Welt gekommen und liegt jetzt auf der Intensivstation.“
Ihr wurde schwer ums Herz beim Gedanken an das kleine Wesen, das um sein Leben kämpfte, und unwillkürlich hielt sie Carl die Hand hin. Bis ihr einfiel, wer er war und was er ihr angetan hatte. Da ließ sie die Hand schnell wieder sinken.
„Wird das Baby durchkommen?“, erkundigte sie sich.
Egal, was er ihr angetan hatte, das hätte sie ihm nicht gewünscht. Auch Becca nicht … und dem armen, unschuldigen Baby natürlich schon gar nicht.
„Das wissen wir noch nicht genau.“
Maggie meinte zu sehen, wie er leicht die Schultern zuckte. Ja, er war weltgewandt, kultiviert und ungerührt, genauso kühl und unerreichbar wie ihr Vater. Wieso war ihr das nicht rechtzeitig aufgefallen? Weil sie bis dahin niemanden gekannt hatte, der ganz anders war?
„Er ist so winzig“, fügte Carl ausdruckslos hinzu.
Sie
Weitere Kostenlose Bücher