JULIA EXTRA Band 0281
einzig mögliche Wahl getroffen.
Joey war zwar dadurch das vaterlose Kind einer verarmten, alleinerziehenden Mutter geworden, das gebrauchte Kleidung tragen musste. Aber das war immer noch besser als die Alternative dazu: Dass Joey der ungewollte Bastard eines Industriemagnaten und seiner abgelegten, verzweifelten Geliebten war …
1. KAPITEL
Xander Anaketos versuchte, seine Ungeduld hinter einem höflichen, aber kurzen Lächeln zu verbergen. Richard Gardner gehörte zu den Geschäftsleuten, die jedes erfolgreiche Geschäft mit einem Drink und einem teuren Essen krönten. Xander hatte für so etwas keine Zeit. Gerade hatte er einer Investition in Gardners Unternehmen zugestimmt, aber er überließ es seinen Angestellten, alles unter Dach und Fach zu bringen. Xander wollte jetzt einfach gehen. Schließlich hatte er Pläne für den Abend, und die beinhalteten sicher keinen Small Talk mit Richard Gardner. So wie es aussah, würde sein „anderes Geschäft“ auf ihn warten müssen.
Aber sie warteten immer auf ihn.
Sonja de Lisle bildete da keine Ausnahme.
Sie würde zwar ein paar Minuten schmollen, sich aber bald darauf wie ein Kätzchen an ihn schmiegen. Denk besser nicht an Sonja, sagte er sich, das Abendessen liegt noch vor dir!
Da er eingeladen wurde, wartete Xander darauf, dass sein Gastgeber den Platz wählte. Als er sich dann gesetzt hatte, musterte er geringschätzig das Lokal. Das hier war kein Restaurant, das er sich ausgesucht hätte, aber es lag wenigstens günstig in der Nähe des Londoner Flughafens. Für sich selbst bevorzugte er jedoch Hotels und Restaurants mit mehr Klasse, mit mehr Prestige. Ihm gefielen die klassischen weltberühmten Häuser wie das Ritz, das Claridges und das St. John.
Unvermittelt erinnerte sich Xander. Heute ging er nur noch selten ins St. John. Den Grund dafür konnte er noch deutlich vor sich sehen: blonde Haare, die auf einer Seite in einer sanften Welle über die Schulter fielen, Diamantstecker in zarten Ohren, lange dunkle Wimpern über kühlen grau-grünen Augen.
Augen, die ihn ohne Gefühl ansahen. Ein Gesicht, das keinerlei Regung erkennen ließ. Aber auch eine Frau, deren kühle Zurückhaltung ihn lockte und immer noch zu reizen schien.
Entschlossen schob er das Bild von sich. Es hatte ja doch keinen Zweck, sich daran zu erinnern.
Abrupt griff Xander nach der Speisekarte, die jemand auf den niedrigen Tisch gelegt hatte. Er öffnete sie und wählte lustlos ein Gericht. Dann schlug er die Karte zu, warf sie zurück auf den Tisch und sah sich ungeduldig um. Jetzt könnte er noch einen Drink gebrauchen. Gab es in diesem Laden denn keine Kellnerinnen?
Etwa einen Tisch von ihm entfernt stand eine Kellnerin, den Rücken zu ihm gewandt. Er behielt sie ihm Auge, um sie zu sich zu winken.
Kurze Zeit später drehte sie sich zur Bar hin, und Xander hob gebieterisch die Hand. Als sie die Geste sah, änderte sie die Richtung.
Und blieb wie angewurzelt stehen.
Clare spürte, wie jegliches Gefühl aus ihrem Körper wich.
Stattdessen nahm sie nur noch zwei Dinge wahr: Fassungslosigkeit. Erschrecken.
Clare konnte sich nicht gegen den Sog der Erinnerungen wehren, der sie tiefer und tiefer in die Vergangenheit zog …
An jenem letzten gemeinsamen Abend war Xander spät dran.
Rastlos ging Clare auf und ab. Eigentlich hätte sie schon daran gewöhnt sein müssen, dass er dann kam, wenn es ihm passte. Doch dieses Mal war es schwerer für sie zu ertragen. Ihre Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt.
Werde ich es ihm wirklich sagen?
Diese Frage ließ ihr keine Ruhe. Seit zwei Wochen wälzte sie sie schon hin und her. Und mit jeder neuen Runde wusste sie, dass es nur eine Antwort darauf gab – geben konnte.
Ich muss es ihm sagen. Ich kann es ihm nicht länger verschweigen.
Jedes Mal, wenn sie sich das sagte, spürte sie, wie Panik in ihr aufstieg, wie sich das vertraute Gefühl der Angst einstellte.
Falls – sie korrigierte sich – wenn sie es ihm sagte, wie würde er es wohl aufnehmen? Bitte lass es ihn so aufnehmen, wie ich es mir wünsche! Bitte! Das stille, verzweifelte Gebet stellte sich ganz automatisch ein.
Aber war das überhaupt realistisch? Akribisch durchleuchtete sie ihre Situation und versuchte, sich alle positiven Argumente wie die Perlen einer Kette zurechtzulegen.
War sie nicht um einiges länger seine Geliebte als all die anderen Frauen zuvor? Das muss doch ein gutes Zeichen sein, oder?, machte sie sich selbst Mut.
Xander Anaketos blieb nie sehr
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