JULIA EXTRA Band 0281
lange bei einer Frau. Das hatte sie gewusst, bevor sie sich in dieser schicksalhaften Nacht in die lange Liste seiner Geliebten eingereiht hatte. Aber aus unerklärlichen Gründen kümmerte es sie nicht. Clare wollte diese Zeit genießen, selbst wenn es nur sechs Monate dauern sollte. Dass dieser Zeitraum eine Tatsache war, wurde ihr von einer der verlässlichsten Quellen mitgeteilt: ihrer Vorgängerin. Aimee Decords Warnung war unverblümt. Zwar war sie betrunken gewesen, aber man merkte es ihr kaum an. Außer vielleicht an ihrem weichen, schwingenden Gang und an ihrem dunklen, wunderschönen, aber rätselhaften Blick.
„Genieße ihn, chérie“, hatte sie zu Clare gesagt und noch einmal an ihrem stets gefüllten Champagnerglas genippt. „Bis Weihnachten bist du sowieso abgemeldet.“ Mit einem Hauch von Mitgefühl, gemischt mit Niedertracht, lächelte sie. Aber noch etwas an ihrem Ausdruck ließ Clare frösteln: Sie sah die ungestillte und verzweifelte Sehnsucht in ihrem Blick …
Doch Aimee Decord hatte sich getäuscht. Clare war nicht an Weihnachten abgemeldet gewesen. Das Gegenteil war der Fall: Sie hatte die Feiertage sogar mit Xander in Davos beim Skifahren verbracht und die letzten beiden Januarwochen in der Karibik und Ostern in Paris.
Darauf folgte eine Tour durch Nordamerika über New York, Chicago, San Francisco, Vancouver und Toronto – es war hektisch, denn ein Geschäftstermin jagte den nächsten. Dann ging es zurück nach Europa, wieder ein kurzer Aufenthalt in Paris, dann Genf, Mailand, noch ein Kurztrip in die Karibik und zurück nach London.
Sechs Monate ging das so. Neun Monate. Fast ein ganzes Jahr. So ziemlich genau ein Jahr.
Clare wusste auf den Tag, ja, auf die Nacht genau, dass in drei Wochen ihr Jahrestag war. Und bis dahin würden sie, so Gott wollte, viel mehr zu feiern haben als die Tatsache, dass sie nun ein Jahr zusammen waren.
Nervös wanderte sie hin und her. Immer wieder überlegte sie, was alles passieren konnte.
Dass sie beinahe doppelt so lang Xanders Geliebte war wie die Frauen vor ihr, machte ihr Hoffnung. Wie auch der Umstand, dass er ihr nie – wie den anderen – eine Wohnung angemietet hatte. Stattdessen sollte sie ihn auf seinen ständigen Reisen begleiten, die seine komplizierten Geschäfte in der geheimnisvollen Welt der internationalen Finanzen mit sich brachten. Clare wusste nichts darüber, und sie erkundigte sich auch nicht. Denn eins hatte sie relativ schnell gelernt: Wenn Xander sich einmal von seiner Arbeit loseisen konnte, wollte er nicht noch über sie reden.
Und dann war da noch eine Sache. Sie hatte sich erst kürzlich zugetragen, und Clare klammerte sich voller verzweifelter Hoffnung daran.
Als sie sich vor etwa vierzehn Tagen das letzte Mal geliebt hatten, war es irgendwie anders gewesen. Sie hatte es gewusst, hatte es gespürt. Zuerst dachte sie, es hätte nur an ihr gelegen. Bis ihr mit voller Wucht bewusst geworden war, welche Gefühle sie bewegten. Diese Erkenntnis war so unerwartet über sie hereingebrochen, dass sie total aufgeregt war.
Aber es lag nicht nur an ihr; auch Xander war anders gewesen. Er war genauso leidenschaftlich wie immer. Genau so unersättlich in seinen Wünschen und Bedürfnissen, und er setzte wie immer alles daran, ihre körperlichen Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen. Aber irgendetwas hatte sich verändert. War es tiefer, inniger geworden? Oder lag es daran, dass er sie zehn Tage lang nicht gesehen hatte?
Nach dieser schier endlos scheinenden Zeit kam er durch die Tür, warf seinen Aktenkoffer zur Seite und schloss sie in seine Arme. Geschwind hob er sie hoch und trug sie zu seinem Bett. Währenddessen entkleidete er sie und brachte sie mit seinen Küssen um den Verstand. Es waren die hungrigen Küsse eines Mannes, der sich nach ihr sehnte, der sie besitzen wollte. Unbeherrscht und sinnlich!
Beide gaben sich dem heißen Feuer der Leidenschaft hin, das in ihnen aufloderte. Doch danach … Clare schloss die Augen. Die Erinnerung daran ließ sie wohlig erschauern.
Ganz nah hatte er sie an sich gezogen. Seine Finger spielten mit ihrem Haar, und er presste sie eng an seine Schulter. Sie hatte das aufgeregte Klopfen seines Herzens gespürt. Gefühlt, wie ihr eigenes darauf reagierte.
Er hatte ihr etwas auf Griechisch zugeflüstert und war danach verstummt. An ihn geschmiegt lag sie da. Sie war innerlich ganz aufgewühlt, als er ihr Gesicht mit beiden Händen umfasste. Erwartungsvoll blickte sie zu ihm auf.
In sein
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