JULIA EXTRA Band 0281
zu konzentrieren. Sie musste all ihre Energie aufwenden, um das Geschehene auszublenden.
Ich kann jetzt nicht daran denken. Ich denke später darüber nach. Morgen oder nächste Woche vielleicht. Oder nie …
Sie war sehr gut darin, nicht an Xander Anaketos zu denken. Immerhin hatte sie vier Jahre lang Erfahrung darin.
Bewusste Gedanken zu kontrollieren, war eine Sache. Sie fürchtete sich vor den unbewussten. Und als sie in dieser Nacht in ihrem Bett und Joey in seinem eigenen Zimmer lag, waren es ihre Träume, die sie verrieten. Aber so war es immer gewesen.
Sie träumte von Xander und seinem durchtrainierten Körper, der an den ihren gepresst war. Sie träumte davon, wie sein fordernder Mund auf ihrem lag, seine kräftigen Hände ihre Brüste streichelten, wie sie weiter nach unten glitten und sie erregten. Wie diese Erregung sich immer weiter steigerte, bis sie diesen wunderbar berauschenden Höhepunkt erreichte. Den Höhepunkt, den er ihr immer geschenkt hatte … immer!
Clare erwachte im Morgengrauen und fühlte, wie ihr Herz heftig schlug. Die Träume waren so real und lebendig gewesen. Ihre Gefühle so realistisch und erschreckend, wie nur Träume sie auszulösen vermochten. Ihr Magen krampfte sich zusammen, und ihr Puls raste.
Mit Entsetzen stellte sie fest, dass sie körperlich darauf reagierte. Ihre Brüste waren geschwollen, ihre Brustspitzen aufgerichtet.
Sie sprang aus dem Bett und tappte barfuß die Treppen hinunter ins Bad, doch sie fühlte sich schlecht und schämte sich dafür.
Der Tag verging quälend langsam. Sie schien sich in zwei Persönlichkeiten gespalten zu haben: Zum einen war sie Joeys aufopferungsvolle Mutter, die auf ihn aufpasste, sich um ihn kümmerte und ihn einfach vergötterte. Dieser Teil von ihr kümmerte sich auch um ihre Freundin Vi, brachte ihr Frühstück, bevor sich die alte Dame langsam herrichtete.
Wie jeden Tag gingen sie nach dem Mittagessen in den nahegelegenen Park, Vi auf ihren Stock gestützt und Clare den Kinderwagen Joeys schiebend. Im Park angekommen, setzte sich Vi dann auf ihren gewohnten Platz, während Clare mit Joey zuerst den Sandkasten und anschließend den Spielplatz unsicher machte. Dieser Ausflug endete grundsätzlich damit, dass sie mit Joey an den See gingen, damit er die Enten füttern konnte. Alles war so wohltuend vertraut.
Aber Clare kannte auch ihre andere Seite. Sie war noch immer tief erschüttert und fassungslos darüber, dass sie tatsächlich Xander Anaketos wiedergesehen, mit ihm gesprochen hatte und davongelaufen war.
Er ist weg. Es ist vorbei, sagte sie sich.
Sie wiederholte es immer wieder, während die andere Clare das tägliche familiäre Ritual im Park abspulte.
Ich muss mich beruhigen, wieder zur Normalität zurückfinden. Ich muss einfach vergessen, dass es überhaupt passiert ist, ermahnte sie sich.
Das kam ihr so grausam vor, denn schon vor vier Jahren war es ein Kampf gewesen, darüber hinwegzukommen und nach vorne zu blicken. Aber sie hatte es geschafft. Für ihren Sohn. Deshalb waren sie jetzt in Sicherheit.
Die Vergangenheit war für sie abgeschlossen, und die letzte Nacht war lediglich eine kurze, düstere Episode. Clare war weggelaufen, wie sie auch in jener grässlichen Nacht davongelaufen war, als ihr alle Illusionen geraubt worden waren.
„Gehen wir, Mummy!“ Joeys Stimme riss sie aus ihren quälenden Gedanken. Er hob ihr die leere Plastiktüte entgegen, in der die Brotkrumen gewesen waren. „Alle weg“, rief er stolz.
„Zeit für den Tee“, sagte Vi und stand langsam von der Bank auf, auf der sie gesessen hatte. Gemächlich machten sie sich auf den Heimweg.
Was dann geschah, kam ohne Vorwarnung für Clare. So wie der vergangene Abend.
Als sie um die Ecke in ihre Straße bogen, war es Joey, der als Erster etwas sagte und mit seinen Fingerchen auf etwas zeigte.
„Großes Auto!“
Clares Blick folgte seinem ausgestreckten Finger, und plötzlich schien ihr Herz stehen zu bleiben. Vor Vis Haus stand eine große rote Luxuslimousine.
Die Tür wurde geöffnet, und Xander Anaketos stieg aus.
Was macht er hier?, schoss es ihr durch den Kopf. Aus welchem Grund war er ihr gefolgt? Was konnte er ihr noch zu sagen haben? Er hatte ihr doch ganz klargemacht, dass er es hasste, so abserviert zu werden, wie er es mit seinen abgelegten Geliebten zu tun pflegte. Eigentlich musste er doch froh sein, dass sie aus seinem Leben verschwunden war.
Plötzlich wurde ihr aber klar, dass es völlig unwichtig war, aus
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