JULIA EXTRA Band 0281
ließ der Nachtwind die Palmen sanft rauschen. Irgendwo bellte ein einsamer Hund und verstummte dann.
Starr und ohne Ziel sah Xander auf das Meer hinaus und in die Dunkelheit. Er hatte gewartet, bis sie gegangen war. Hatte vorgegeben, eingeschlafen zu sein. Dann war er aufgestanden, weil er es nicht ertragen konnte, länger in diesem Bett zu liegen. Er hatte seine Jeans übergestreift und war in die Dunkelheit geflüchtet.
Obwohl die Nacht warm war, fror er. Er schob seine Hände tiefer in die Taschen seiner Hose, die er rasch übergestreift hatte. Sein Oberkörper war nackt, genau wie seine Füße.
Die Kälte erreichte jede Zelle seines Körpers. Sie drang bis in sein Innerstes.
Er hatte das getan, was er sich vorgenommen hatte. Das Ziel war erreicht.
Eigentlich sollte er sich freuen. Zufrieden sein. Oder erleichtert.
Aber er fühlte nichts dergleichen. Ihm war nur klar, dass er einen furchtbaren Fehler gemacht hatte.
„Ich hab mein Frühstück aufgegessen. Komm spielen, Daddy!“
Joey strahlte bis über beide Ohren. Er schien glücklicherweise gar nicht zu bemerken, wie angespannt die Stimmung bei Tisch war.
Zum Zerreißen gespannt, dachte Clare mit ausdrucksloser Miene.
Sie bewegte sich wie ein Roboter. Stocksteif und mechanisch. Dass sie eine schlaflose Nacht hinter sich hatte, in der sie vor Selbstvorwürfen nicht zur Ruhe gekommen war, sah man an den dunklen Schatten unter ihren Augen.
Joey war wie gewöhnlich früh aufgewacht. Wie ferngesteuert hatte sie sich um ihn gekümmert. Sie hatte ihn gewaschen und ihm beim Anziehen geholfen. Entgegen ihrer sonstigen Art aber war sie eher einsilbig.
Joey schien das ungewöhnliche Verhalten seiner Mutter nicht zu bemerken. Plappernd und aufgeregt, was der neue Tag an diesem einzigartigen Ort wohl bringen würde, ließ er es sogar klaglos über sich ergehen, dass Clare ihm das Gesicht wusch.
Inzwischen war es ihnen hier zur Gewohnheit geworden, morgens vor dem Frühstück durch die Gärten und am Strand spazieren zu gehen. Clare konnte diese Zeit fast schon genießen. Denn es war ruhig, noch bevor die Hitze des Tages hereinbrach. Außerdem war sie vor Xander sicher, den sie erst am Frühstückstisch zu Gesicht bekam. Es war eine Zeit, in der sie Joey ganz für sich hatte und kurze Zeit vergessen konnte, wie sehr sich ihr Leben verändert hatte. In welcher katastrophalen Lage sie sich nun befand.
An diesem Morgen war der Strandspaziergang jedoch eine Qual gewesen. Die Hölle mitten im Paradies.
Unbarmherzig machte sich die Insel mit ihrer Schönheit über sie lustig. Zeigte ihr gnadenlos und grausam, dass auch inmitten dieser Schönheit das Elend liegen konnte. Mit jedem Sonnenstrahl, der vom azurblauen Wasser widergespiegelt wurde, mit jeder sanften Biegung der grünen Bucht und mit jedem weichen, goldenen Sandkorn schien die Insel sie zu verhöhnen.
Nur langsam ging Clare mit Joey den Weg zur Villa zurück. So als wollte sie den Moment der Begegnung mit Xander so lange wie möglich hinauszögern.
Mit klopfendem Herzen betrat sie schließlich mit Joey den Raum mit dem bereits gedeckten Frühstückstisch. Begeistert lief Joey auf seinen Vater zu, der mit einer Tasse Kaffee in der Hand am Fenster stand und offenbar nach ihnen Ausschau hielt.
„Guten Morgen, junger Mann. Gut geschlafen?“ Nichts in Xanders Stimme ließ darauf schließen, dass er der Begegnung mit Clare ähnlich angespannt entgegensah. Nein, Xander wirkte geradezu ruhig und gelassen. Insgeheim beneidete Clare ihn um diese Ruhe.
„Ja, Daddy, und wir waren auch schon am Strand spazieren“, sprudelte es aus Joey hinaus.
„Nach dem Frühstück habe ich eine Überraschung für dich, Joey“, versprach Xander. Hörte Clare da nun doch eine gewisse Anspannung heraus, oder bildete sie sich das nur ein?
„Überraschung? Was für eine Überraschung? Bitte sag es mir!“, rief Joey aufgeregt.
„Abwarten.“ Mit gespielter Strenge hob Xander die Augenbrauen. „Jetzt heißt es erst mal frühstücken.“
Joey brummelte etwas, war dann aber der Erste, der am Tisch saß und sich heißhungrig auf seinen Kakao stürzte. Nur langsam setzte sich Clare, die die Szene zwischen Xander und Joey gerührt, gleichzeitig aber auch angespannt verfolgt hatte.
Als sie schließlich alle beim Frühstück saßen, brachte Clare es nicht übers Herz, Xander anzusehen. Es war ihr unmöglich, mit ihm zu reden. Sie konnte es nicht ertragen, in seiner Nähe zu sein. Doch um Joeys willen musste sie so tun, als sei
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