JULIA EXTRA Band 0281
Kleid ab.
Weg war die Farbe dadurch nicht, aber ziemlich verblasst. Tamsin lehnte sich an den Fensterrahmen, streckte die Arme erneut dem strömenden Regen entgegen und genoss die kühle Frische auf ihrer brennenden Haut. Als sie aus den Augenwinkeln etwas silbern Metallisches draußen vor ihrem Fenster wahrnahm, beugte sie sich vor, um es genauer zu inspizieren …
Sie konnte es kaum fassen. Es war Marcos’ Handy! Offensichtlich war es nicht im Garten, sondern auf dem Mauervorsprung unterhalb ihres Fensters gelandet. Ohne zu zögern, schwang Tamsin die Beine übers Fensterbrett, hielt sich mit einer Hand am Rahmen fest und kletterte hinaus.
Sie war so aufgeregt, dass sie gar keine Zeit hatte, Angst zu bekommen. Erst als sie das Handy endlich erwischt hatte und ins Gästezimmer zurückgeklettert war, begann sie plötzlich haltlos zu zittern. Der strömende Regen hatte sie bis auf die Haut durchweicht, aber das war ihr egal.
Sekundenlang presste sie ihre kostbare Trophäe an die Brust und fühlte sich wie im Märchen – als hätte sie unverhofft drei Wünsche zugeteilt bekommen. Aber sie brauchte nur einen …
Mit dem Handrücken strich sie sich die nassen Haarsträhnen aus den Augen, und während das Regenwasser an ihr herunter auf den hellen Teppichboden rann, tippte sie eine marokkanische Telefonnummer in Marcos’ Handy …
Marcos wischte sich Schmutz und Holzspäne von den Fingern. Im offenen Kamin seines Schlafzimmers brannte jetzt ein munteres Feuer, das den Geruch und die aufziehende Feuchtigkeit des prasselnden Regens vertrieb. Er schaute auf die Uhr.
Die Temperatur war in der letzten Stunde um einige Grade gefallen. Und ebenso lange war es her, dass er Tamsin auf dem Balkon zurückgelassen hatte. Ob die Schlossführung mit Nelida inzwischen beendet war? Schlief sie vielleicht schon?
Die Vorstellung von Tamsin im Bett traf ihn mit der Gewalt eines Hurrikans. Das rotgoldene Haar … wie ein seidiger Fächer ausgebreitet auf den weißen Kissen … die herausfordernd weiblichen Kurven in die weichen Laken geschmiegt …
Er musste nur die Treppe hinauf und über den Flur gehen, um sie zu pflücken wie eine reife Frucht. Himmel noch mal! Sie hatte sich ihm doch förmlich angeboten!
Marcos begann sein Hemd aufzuknöpfen und lachte hart auf, als es ihm kaum gelingen wollte, weil seine Hände zitterten. Zwanzig lange Jahre hatte er seinen Rachefeldzug sorgfältig geplant, und jetzt war er tatsächlich versucht, ihn einfach aufzugeben, um Tamsin Winter in sein Bett zu bekommen. Er wollte sie. Noch heute Nacht!
Als er sie auf dem Balkon geküsst hatte, hatte er das unterschwellige Feuer, das in ihrem Inneren brannte, gespürt.
Es nun erneut zu einer lodernden Flamme anzufachen, erschien ihm begehrenswerter als alle Rachegelüste der Welt. Ihr unerschrockener Mut und wacher Geist, so lebendig wie die leuchtenden goldroten Locken, reizten ihn und forderten ihn heraus. Er wollte mehr von ihr. Viel mehr!
Und diesmal würde er aufrichtig sein. Offenbar hatte sie eigene, triftige Gründe, ihren Bruder zu hassen. Warum sie nicht zu seiner Verbündeten machen, wenn sie die gleichen Feinde hatten?
Marcos fluchte unterdrückt und rief sich zur Ordnung.
Das ist einzig und allein körperliche Lust und zügellose Begierde, die aus dir spricht, mein Freund, machte er sich klar. Vergiss nicht, dass diese kleine Hexe dir bereits eine Menge Lügen aufgetischt hat und immer noch ein Geheimnis für sich behält.
Frustriert warf Marcos sein Hemd zu Boden, warf sich rücklings aufs Bett und starrte in den strömenden Regen, der unablässig die Scheiben hinunterrann. Irgendwann griff er zum Telefon, zögerte aber, die Nummer einzugeben, die sich unauslöschlich in seinem Gedächtnis eingebrannt hatte. Eigentlich war es egal, wen er zuerst anrief, Aziz’ oder Tamsins Bruder. Hauptsache, er hielt sich an seinen Plan.
Unverhofft tauchte Tamsins blasses verzweifeltes Gesicht vor seinem inneren Auge auf, als sie ihn bat, selbst das Telefonat mit ihrem Verlobten führen zu dürfen.
Verflixt! Wenn er nur wüsste, was in ihrem hübschen Köpfchen tatsächlich vor sich ging! Verärgert über seine Unentschlossenheit, schwang er die Beine aus dem Bett, stürzte aus seinem Zimmer und lief, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf zum Gästezimmer. Ohne weiter darüber nachzudenken, riss er die Tür auf und erstarrte.
Sie stand neben dem geöffneten Fenster – durchnässt bis auf die Haut. Haare und Kleid klebten
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