JULIA EXTRA Band 0281
ruiniert und starb kurz darauf, zusammen mit meiner Mutter und meinem Bruder. In all den Jahren bis heute habe ich nur von meiner Rache geträumt. Und jetzt ist der Tag endlich gekommen.“
Tamsin starrte Marcos aus weit geöffneten Augen an und hielt sich instinktiv die Hand vor den Mund, um nicht aufzuschreien. Natürlich kannte sie die Formel, die verantwortlich für das erfolgreichste Produkt von Winter Cosmetics gewesen war. Oft genug hatte sie sich selbst nach einer langen Nacht des sogenannten Zauberstiftes bedient, um ihre dunklen Augenringe perfekt abzudecken. Aber, wenn sie jetzt zurückdachte, war es in den ganzen Jahren auch Sheldons einziger Treffer gewesen, für den ihr Vater ihn allerdings bis zu seinem Tod über den grünen Klee gelobt hatte.
Er hatte die Formel von Marcos’ Vater gestohlen!
Und seine ganze Familie, eingeschlossen sein kleiner, geliebter Bruder, von dem er ihr erzählt hatte, waren dadurch umgekommen? Aber wie? Was war damals passiert? Und wie hatte er den Schmerz über diese furchtbare Tragödie überhaupt bewältigen können?
Am liebsten wäre sie zu ihm gegangen und hätte Marcos tröstend in die Arme geschlossen. Doch gerade noch rechtzeitig erinnerte Tamsin sich daran, dass er keinen Wert auf ihr Mitleid oder ihre Liebe legte. Im Gegenteil! Momentan sah es eher so aus, als wolle er Sheldon am liebsten das Herz mit seinen bloßen Händen aus der Brust reißen.
Tamsin schauderte. Dieser Marcos machte ihr Angst.
Das Gesicht ihres Halbruders war stark gerötet, sein Atem kam in hörbaren Stößen. „Ich … ich hatte mir bereits drei schwere Patzer in der Firmenführung erlaubt“, stammelte er heiser. „Mein Vater hätte mich am liebsten auf den Mond geschossen. Ich bekam die Formel angeboten und ergriff meine Chance. Aber ich schwöre, dass ich nie vorhatte, jemanden zu verletzen. Und der Gedanke, dass jemand durch meine Schuld ums Leben gekommen sein soll … mein Gott!“
Es sah aus, als würde er jeden Moment zusammenbrechen.
„Richtig, Sie haben die Formel gestohlen und in den letzten zwanzig Jahren vom Profit gelebt. Aber jetzt sitzt Winter Cosmetics in der Klemme. Was nicht Sie dazu getan haben, um die Firma zu ruinieren, habe ich übernommen.“
„Sie haben …?“
„Ja, und das ist noch längst nicht alles. Sie verdienen es zu leiden, wie meine Familie es getan hat.“ Mit geballten Fäusten ging Marcos auf Sheldon zu, und plötzlich erwachte Tamsin aus ihrer Erstarrung. Als sie von hinten eine Hand auf seine Schulter legte, fuhr er herum und maß sie mit einem so wilden Blick, als wolle er sie schlagen.
„Marcos …“, bat sie sanft.
Das gefährliche Glühen in seinen Augen erlosch. Er atmete tief durch und wandte sich erneut Sheldon zu, der jetzt leichenblass war.
„Ich sage Ihnen jetzt, was Sie tun werden. Sie übertragen das Sorgerecht für Nicole auf Tamsin, und weiterhin fordere ich ein unterzeichnetes Geständnis, womit ich Aziz al-Maghrib als Drahtzieher und Dieb der Formel entlarven kann. Sie werden keinen Penny mehr haben und vielleicht ins Gefängnis müssen, aber ich lasse Sie am Leben.“
Sheldon fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und senkte ergeben den Kopf. „Ja, ich werde es tun. Ich empfinde es sogar als eine Erleichterung, dass nach all den Jahren die Gerechtigkeit siegt. Tamsin soll das Sorgerecht bekommen. Gott weiß, was für ein schlechter Vormund ich war …“
„Feigling!“, zischte Camilla erbost und sprang förmlich auf die Füße. „Von Anfang an wusste ich, was für ein jämmerlicher Schwächling du bist! Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben, mit unserer Ehe ist es vorbei.“ Sie schulterte ihre Handtasche und maß ihren Gatten mit einem letzten verächtlichen Blick. „Ich gehe zu einem richtigen Mann, der sich nicht ins Bockshorn jagen lässt und von Gerechtigkeit faselt!“
Damit stürmte sie aus dem Büro. Sheldon, der ihren Abgang stumm und mit rotgeränderten Augen verfolgte, versuchte nicht einmal, sie zu halten. Für eine Sekunde schloss er die Augen, dann wandte er sich Marcos zu.
„Wo soll ich unterschreiben?“
So fühlte sich also vollzogene Rache an.
Marcos hielt das Geständnis in seiner Hand, den Blick auf das Papier gerichtet, während er darauf wartete, dass Tamsin zurückkam, die ihren Bruder zum Aufzug begleiten wollte. Langsam legte er das Papier neben die ebenfalls unterzeichnete Sorgerechtserklärung auf den Tisch zurück.
Nach zwanzig langen Jahren hatte er Sheldon Winter
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