JULIA EXTRA Band 0281
endlich zur Rechenschaft gezogen. Und er hielt den Beweis gegen Aziz in Händen, den er dessen Onkel, dem Scheich, versprochen hatte. Marcos Ramirez hatte gewonnen – er war am Ziel.
Aber der Sieg hätte irgendwie anders … süßer schmecken müssen. Wo blieb das Triumphgefühl? Wo der Frieden, den er sich erhofft hatte?
Danke, dass du mich nicht liebst.
Abrupt drehte er sich samt seinem Schreibtischsessel herum und schaute durch die Fenster nach draußen. Am blauen Himmel stand die unerbittlich sengende Sonne, doch die Schatten der hohen Bauten um ihn herum schluckten ihre Strahlen, ehe sie in die Tiefen der Häuserschluchten dringen konnten.
Es war ungewöhnlich warm für einen Septembertag. Zehn Stockwerke unter ihm sah er Menschen in kleinen Straßencafés mitten auf der Castellana sitzen, Kaffee trinken und sich offensichtlich ihres Lebens freuen.
Das erinnerte ihn an vergangene Familienferien im Süden von England, wenn nach drei Tagen Regen die dunklen Wolken unversehens von der Sonne verdrängt worden und sie hinaus an den Strand gerannt waren, um ihre warmen Strahlen auf ihren aufwärts gewandten Gesichtern zu spüren. Selbst jetzt noch … wenn er die Augen schloss, konnte er das Echo der hellen Stimme seines kleinen Bruders hören, die Arme seiner Mutter um seine Schultern spüren und der Stimme seines Vaters folgen, die sie über das Tosen der Wellen hinweg zurück ins Haus rief …
Doch bereits in der nächsten Sekunde wurden die Erinnerungen durch ein dissonantes Kreischen von Metall auf Metall ausgelöscht. Der Himmel verdunkelte sich wieder, und Marcos ballte seine Hände zu Fäusten.
Sein Vater hatte den Fehler begangen, seine Formel voller Stolz und Zuversicht Aziz al-Maghrib, dem Spross einer der einflussreichsten Familien im Nahen Osten zu zeigen, die eines der größten und ertragreichsten Ölfelder der Welt kontrollierte. Er hatte gehofft, Aziz damit zur Investition in seine noch kleine Firma zu überreden, deren wichtigster Rohstoff zur Herstellung der Kosmetika eben Erdöl war. Doch anstatt eine Partnerschaft anzustreben, hatte Aziz ihm die Formel gestohlen und an Sheldon verkauft, was ihm einen sehr viel schnelleren und lukrativeren Gewinn brachte.
Und nach einem sonnigen Strandtag während ihrer Ferien erfuhren seine Eltern durch ein Telefonat, dass es einem Team von gerissenen Anwälten gelungen war, den Gerichtshof davon zu überzeugen, dass ein gigantischer Kosmetikkonzern zu Recht mit der Formel von Marcos’ Vater eine Anti-Aging-Serie auf den Markt brachte, die den Lebensunterhalt und die Absicherung der Familie Ramirez hätte gewährleisten sollen.
So stand nach jahrelangen aufwendigen Forschungen und Entwicklungen die kleine pharmazeutische Firma von Marcos’ Vater vor dem Ruin. Auf einen Schlag hatten sie alles verloren … sogar ihr Leben.
Unruhig wanderte er in seinem Büro auf und ab, bevor er sich wieder setzte. Ein Gedanke jagte den nächsten. Wenn nicht einmal sein Racheplan aufging, woran sollte er sich dann noch halten können? Was blieb ihm nach zwanzig destruktiven Jahren?
Es muss einfach klappen! Ich bin noch nicht am Ende, versuchte er sich Mut zu machen. Sein Plan war noch nicht erfüllt. Er hatte Sheldon vernichtet, aber es blieb noch Aziz!
Dich zu heiraten, bedeutet, das gleiche Gift einzuatmen, das bei dir bereits Wirkung zeigt. Nicht die Wirkung zu vergessen, die es auf unsere Kinder hätte. Doch obwohl mir das ganz klar ist, liebe ich dich so sehr, dass ich dir nicht widerstehen könnte. Deshalb danke ich dir dafür, dass du mich nicht liebst … und nicht in deinem Leben haben willst …
Marcos schloss die Augen und holte tief Luft. Tamsin hatte recht, ihn zu heiraten, würde sie zerstören. Sie von sich zu stoßen, war das Selbstloseste, was er in seinem ganzen Leben getan hatte.
Er schaute auf, als er sie das Büro betreten hörte. Sie trug ein schlichtes blaues Kleid, das ihre aufregenden Kurven verbarg und sie gleichzeitig durch das weiche Material besonders zu betonten schien. Die Farbe brachte ihre schönen Augen zum Strahlen, und als sie sich lächelnd auf einem der Besuchersessel niederließ, wirkte sie mit ihrer zarten hellen Haut und der leuchtenden rotgoldenen Lockenpracht wie eine belebende Oase mitten in der Wüste.
„Sheldon ist ehrlich geknickt und hat mir versprochen, unsere Treuhandfonds wieder aufzufüllen, sollte ihm das je möglich sein“, sagte sie ruhig. „Ich weiß nicht, warum, aber ich glaube ihm.“
„Er hat dich
Weitere Kostenlose Bücher