JULIA EXTRA Band 0281
Tee, nur um festzustellen, dass er längst kalt geworden war.
„Was hast du eigentlich mit deinen seltsamen Worten gemeint?“, fragte Marcos unvermittelt.
„Wann?“
„Als du dich dafür bedankt hast, dass ich dich nicht liebe“, erläuterte er mit undurchdringlicher Miene.
Augenblicklich fühlte Tamsin eine unangenehme Kälte in sich aufsteigen. Doch eine direkte Frage verlangte nach einer klaren Antwort.
„Es geht um deinen Plan, den du seit zwanzig Jahren verfolgst“, erklärte sie ruhig. „Ich kann und will mein Leben nicht an der Seite eines Mannes verbringen, dessen ganzes Sein sich nur um Rachegelüste dreht. Dich zu heiraten, bedeutet, das gleiche Gift einzuatmen, das bei dir bereits Wirkung zeigt. Nicht die Wirkung zu vergessen, die es auf unsere Kinder hätte. Doch obwohl mir das ganz klar ist, liebe ich dich so sehr, dass ich dir nicht widerstehen könnte. Deshalb danke ich dir dafür, dass du mich nicht liebst … und nicht in deinem Leben haben willst …“
Die letzen Worte waren kaum noch zu vernehmen, weil ihre Stimme immer leiser geworden war, ehe sie brach.
„ Tamsin …“
„Die Winters sind eingetroffen, Señor“, wurden sie über den Tischlautsprecher von Marcos’ Sekretärin unterbrochen.
Er drückte die Sprechtaste. „Schicken Sie sie bitte herein.“ Er schaute zu Tamsin hinüber. „Es überrascht mich, dass Sheldon seine Frau mitbringt.“
Sie zuckte mit den Schultern. „Mich überhaupt nicht.“ Immer noch erschüttert von ihrem vorangegangenen Gespräch, nahm sie erneut einen Schluck kalten Tee und versuchte, sich innerlich gegen die unvorhergesehene Begegnung mit der ungeliebten Schwägerin zu wappnen.
„Sie war schon immer der Lady Macbeth-Typ, der ihn in jede Richtung schubsen konnte. Bevor die beiden geheiratet haben, war Sheldon nur halb so schlimm.“
Die Tür ging auf, und Tamsin erhob sich von ihrem Sessel. Verärgert stellte sie fest, dass ihre Knie zitterten.
„ Señor y Señora Winter“, verkündete die Sekretärin. „Darf ich Ihnen einen Tee servieren? Oder vielleicht Kaffee?“, fügte sie in stark akzentuiertem Englisch hinzu.
„Nichts“, entschied Camilla kategorisch.
„Ich hätte gern einen Scotch“, meldete sich Sheldon aus dem Hintergrund.
„Das erledige ich.“ Marcos starrte Sheldon finster an, und die Sekretärin zog sich mit einem Kopfnicken zurück.
Während sich ihr Halbruder unter dem sengenden Blick sichtbar wand, überlegte Tamsin angesichts Marcos’ harter, unerbittlicher Miene, ob er tatsächlich dazu imstande wäre, Sheldon einfach aus dem Fenster zu werfen. Sie kam zu dem Schluss, dass zumindest die Möglichkeit dazu bestand.
Marcos präsentierte seinem Gast den gewünschten Scotch mit einem sardonischen Lächeln, dass mehr als Geringschätzung zum Ausdruck bringen sollte.
„Setzen Sie sich.“
„Nicht, bevor Sie mir erklären, wie Sie dazu kommen, uns …“
„Himmel, Sheldon! Halt den Mund und nimm endlich Platz!“, fuhr Camilla ihrem Mann in die Parade. Sie selbst hatte sich auf der Kante einer eleganten schwarzen Ledercouch niedergelassen.
„Lass Mr. Ramirez sprechen. Je schneller wir hier fertig sind, desto eher kann ich zu unserem armen kleinen Liebling zurückkehren.“
„Armer Liebling!“, fuhr Tamsin auf. „Du hast sie um ihr Erbe gebracht und ihrem Schicksal überlassen, während du ihr Geld für Schönheitschirurgen, Reisen und Partys rausgeworfen hast!“
Camilla gönnte ihrer jungen Schwägerin ein dünnes Lächeln. „Ich habe der Kleinen nur den Weg für die ersten Schritte in die Unabhängigkeit geebnet. Und das allein deinetwegen.“
„Meinetwegen?“
„Aber natürlich! Schau dich doch an – eine behütete und verwöhnte höhere Tochter, die sich zur größten Hure Londons gemausert hat. Da schien mir eine drastische Veränderung der Erziehungsmethoden mehr als angebracht.“
„Du … du …!“ Tamsin war sprachlos vor Wut über so viel Dreistigkeit. Und hätte Marcos sie nicht zurückgehalten, wäre Camilla durch den Schlag, zu dem Tamsin bereits ausgeholt hatte, ganz sicher zu Boden gegangen.
„Zügeln Sie Ihre Frau, Sheldon, bevor noch ein Unglück geschieht“, empfahl Marcos mit milder Stimme.
Der Angesprochene warf ihm daraufhin einen so unglücklichen und hilflosen Blick zu, als sei ihm der Gedanke, irgendeinen wie auch immer gearteten Einfluss auf seine Frau auszuüben, noch nie gekommen.
„Wie können Sie es wagen?“, fuhr Camilla auf, die offensichtlich wesentlich
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