JULIA EXTRA Band 0281
begnügen müssen, die er kaum einmal sah? Von Gewissensbissen geplagt, blickte Alexa sich unwillkürlich zu Giovanni um und erwartete in seinen dunklen Augen den üblichen Vorwurf zu finden. Doch sein Blick ruhte voller Zustimmung und Stolz auf seinem kleinen Sohn. Hatte er nicht vorhin erst gesagt, dass er sie für eine gute Mutter hielt?
Der Scheich begann sich mit Paolo zu unterhalten. Er erzählte ihm, wie es war, in einem Land wie Kharastan aufzuwachsen, und Alexa hatte den Eindruck, dass diese Geschichte genauso sehr für die Ohren seines Sohnes wie für die seines Enkels gedacht war. Er sprach von der Wüste und dem Wunder, wenn sie einmal in hundert Jahren erblühte, von den Kamelen, von der Falkenjagd. Und voller Stolz erzählte er von den Rennpferden, die er in seinen Stallungen züchtete. „Reitest du, Paolo?“
„Nein, Sir.“
„Möchtest du gern einmal reiten?“
„Oh ja … Sir!“
Sie tranken zusammen süßen Pfefferminztee, und Alexa begann sich allmählich zu entspannen. Aber als sie aufbrechen wollten, bat der Scheich Alexa noch zu bleiben. Mit einem flehentlichen Ausdruck wandte sie sich Giovanni zu, doch der legte seinem Sohn eine Hand auf die Schulter.
„Sollen wir den Akrobaten beim Proben zusehen?“
„Akrobaten?“, rief Paolo begeistert.
„Ja, natürlich“, mischte sich der Scheich lächelnd ein. „Akrobaten, Zauberer, Musiker, Tänzer … eine königliche Hochzeit wird in Kharastan gebührend gefeiert.“
Als die beiden fort waren, herrschte für einen Moment Schweigen. Alexa besaß keine Erfahrung im Umgang mit gekrönten Häuptern, doch sie wusste zumindest, dass es ihr nicht anstand, das Gespräch zu eröffnen, schon gar nicht in einem Land, in dem eindeutig noch die Männer die vorherrschende Rolle spielten. Also hielt sie den Blick gesenkt und wartete.
„Sie haben einen guten Jungen“, bemerkte der Scheich schließlich.
Überrascht blickte sie auf und lächelte. „Danke.“
Der alte Mann nickte. „Aber wie ich höre, ist sein Leben hart?“
„Hart? Ich verstehe nicht recht, Eure Königliche Hoheit.“
„Nun, Giovanni hat mir erzählt, dass Sie in einem winzigen Cottage leben und in einem Geschäft arbeiten.“
Ach ja? Alexa richtete sich unwillkürlich auf und atmete tief ein. „Wir besitzen vielleicht wenig in materieller Hinsicht“, antwortete sie stolz, „aber Paolo hat es bislang an nichts Wichtigem gefehlt. Er hatte immer ausreichend Nahrung und ein warmes Zuhause … und vor allem Liebe. Nein, ich denke nicht, dass sein Leben hart ist, Eure Königliche Hoheit, sondern bin da ganz anderer Meinung als Ihr Sohn.“
Die Augen des Scheichs funkelten belustigt. „Dem Vernehmen nach gibt es zwischen Ihnen beiden viele Meinungsverschiedenheiten. Aber Ihre Beziehung zu Giovanni geht mich nichts an. Mein Interesse gilt meinem Enkel. Es stimmt natürlich, dass sich mit Geld keine Liebe kaufen lässt … aber Wohlbefinden.“
„Lediglich materielles Wohlbefinden“, beharrte Alexa. „Emotionales Wohlbefinden hat nichts mit Geld zu tun.“
Der alte Mann winkte ab. „Nur Frauen messen derartigen Dingen Wert bei.“
Doch Alexa hatte nicht vor, ihm nach dem Mund zu reden, nur weil er in seinem Reich unumschränkter Herrscher war. Sie gehörte weder zu seinen Bediensteten noch zu seinen Untertanen. „Den Frauen fällt meist die Hauptfürsorge für die Familie zu, weshalb sie einschätzen können, wie wichtig Gefühle sind.“
Scheich Zahir sah sie erstaunt an. „Sie sind eigensinnig!“
„Nein, aber ich setze mich leidenschaftlich für alles ein, woran ich glaube, Eure Majestät.“
„Manchmal muss man im Leben auf das verzichten, woran man glaubt“, erwiderte er sanft. Dann lehnte er sich zurück und schloss matt die Augen. „Vielen Dank für dieses Gespräch. Gehen Sie jetzt, und genießen Sie die Hochzeit.“
Wollte er ihr einen Rat geben? Vielleicht andeuten, dass es keinen Sinn hatte, darauf zu hoffen, dass Giovanni ihr liebevolle Gefühle entgegenbringen würde? Keine Sorge, Königliche Hoheit, dachte sie, was Giovanni betrifft, mache ich mir keine Illusionen mehr!
Ein Diener brachte sie in den Hof, wo Paolo staunend den Jongleuren zusah, die dort eine kleine Privatvorstellung gaben. Giovanni stand etwas abseits unter einem Orangenbaum, der Früchte und duftende Blüten trug.
„Ist deine Unterhaltung mit dem Scheich gut verlaufen?“, erkundigte er sich, als Alexa sich zu ihm gesellte.
„Erstaunlich gut unter den
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