Julia Extra Band 0292
Auf dem Beifahrersitz lag ein mit Seidenblumen besetzter Strohhut. Merkwürdig.
Auch an der Hintertür passte kein Schlüssel am Bund. Als Eduard die Klinke drückte, schwang die Tür zu seiner Überraschung auf. Was ging hier vor?
Da das Haus über zwei Jahre nicht bewohnt worden war, hatte er mit einem muffigen Geruch gerechnet, doch es herrschte erstaunlich frische Luft in der Küche. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er geschworen, dass es nach frisch gebackenem Hefeteig duftete. Nur gut, dass er nicht an Gespenster glaubte. Allmählich könnte man ja meinen, dass es hier spukte.
An einer zwischen zwei Küchenschränken gespannten Wäscheleine hingen Dessous aus Spitze, woraus Eduard schloss, dass sein „Gespenst“ jung und weiblich war. Den Wäscheraum hatte sie anscheinend noch nicht gefunden.
Er ließ den Matchsack in der Küche zurück und ging durch den Flur in einen der Schlaftrakte. Die reizvolle Spannung verflog schnell, als Eduard sah, dass es sich die Einbrecherin ausgerechnet in dem Zimmer gemütlich gemacht hatte, das er immer bewohnt hatte. Es bot eine schöne Aussicht auf die Berge in der Ferne. Offensichtlich gefiel es ihr aus demselben Grund wie ihm, denn die Vorhänge waren ganz aufgezogen, und das Fenster stand offen.
Zweifellos hatte sie einen Sinn für schöne Schlafzimmer, und sie war sauber und ordentlich. Allerdings war sie ziemlich nachlässig, was ihre Sicherheit betraf.
Eduard erstarrte, als sich ein harter, zylindrischer Gegenstand in seinen Rücken bohrte und eine Frau sagte: „Keine Bewegung! Ich habe eine Waffe, und ich kann damit umgehen.“
Auf dem Rückweg zum Haus hörte Carissa den Hubschrauber und blickte nach oben. Sie beobachtete, wie er sank und dann in Richtung Tricot verschwand. Hoffentlich gab es in der Stadt keinen medizinischen Notfall. Bald nach ihrer Ankunft war sie beim hiesigen Arzt gewesen. Er hatte ihr erklärt, dass Schwerkranke zum Krankenhaus in die achtzig Kilometer entfernte Stadt Casmira ausgeflogen werden mussten.
Der Arzt hatte offen sein Missfallen darüber gezeigt, dass eine Schwangere so weit entfernt von fachlichem Beistand wohnen wollte.
Abgesehen von morgendlicher Übelkeit gehe es ihr gut, hatte Carissa ihm versichert.
„Kommt Ihr Mann nach?“, hatte er gefragt.
Energisch hatte sie ihre Wut unterdrückt. „Nein.“
Dies war ihr Baby, es gehörte niemandem sonst. Jetzt hatten sie mit dem Landsitz ein Zuhause und eine Einnahmequelle und damit alles, was sie brauchten.
Carissa blieb stehen und streckte sich. Sie hatte sich einen täglichen Spaziergang vorgenommen. Weil ihr die körperliche Bewegung guttat, aber hauptsächlich, weil sie den Regenwald so schön fand und ihn erkunden wollte, solange sie es noch konnte.
In Australien geboren, überraschte es sie selbst, wie sehr sie Carramer liebte. Ihr Baby würde es auch lieben. Carissa war fest entschlossen, es besser zu machen als ihr alleinerziehender Vater. Zu beschäftigt mit den hohen Anforderungen des Diplomatenberufs, hatte Graeme Day keine Zeit für die emotionalen Bedürfnisse seiner Kinder gehabt.
Ihr Vater hatte Jeffrey und sie wie kleine Erwachsene behandelt und von ihnen erwartet, dass sie sich ebenso mühelos wie er an das Leben in den verschiedenen Ländern anpassten, in die er versetzt wurde.
Manchmal war es ihnen gelungen und manchmal nicht. Carramer war das einzige Land gewesen, in dem sich Carissa wohlgefühlt hatte. Als ihr Vater gesagt hatte, sie würden nach Australien zurückkehren, war sie verzweifelt gewesen. Zu jung, um allein im Fürstentum zu bleiben, hatte sie sich geschworen, bei der ersten Gelegenheit zurückzukommen.
Jeff hatte sie für verrückt gehalten. „Nichts geht über den Glanz der Großstadt“, war sein Motto. Aber Carissa fühlte sich in den kaum von der Zivilisation berührten tropischen Gegenden mehr zu Hause.
Sie seufzte. Ihr Zuhause erforderte noch viel Arbeit, wenn sie es in das Hotel ihrer Träume verwandeln wollte.
Als sie aus dem Regenwald auf die Lichtung kam, sah Carissa, dass die Küchentür angelehnt war. Sie war sicher, sie beim Weggehen fest zugezogen zu haben. Flüchtig hatte sie sogar daran gedacht, sie abzuschließen. Dann hatte sie sich gefragt, wer, in aller Welt, hier wohl einbrechen sollte.
Es sah ganz so aus, als würde sie es jetzt herausfinden.
Vorsichtig stieß sie die Tür auf. In der Küche war niemand. Carissa hatte am Morgen gebacken, und der Geruch hing noch in der Luft. Aber er wurde überlagert
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