Julia Extra Band 0292
förmlich gewesen als sein Bruder. Unwillkürlich erinnerte sich Carissa daran, dass sie Eduards Freundlichkeit früher einmal für mehr gehalten hatte. Schnell beschäftigte sie sich damit, einen Wasserkessel zu füllen. „Trinkst du deinen Kaffee noch schwarz?“
Er nickte. „Du hast ein gutes Gedächtnis.“
Carissa unterließ es, ihm zu verraten, dass sie nichts von dem vergessen hatte, was sich zwischen ihnen abgespielt hatte. Minuten später trug sie zwei Tassen Kaffee zum Tisch, dann stellte sie ein in Scheiben geschnittenes Rosinenbrot zwischen sie beide. „Ich habe es heute Morgen gebacken.“
„Mir ist der Geruch aufgefallen, als ich hereingekommen bin.“ Eduard nahm sich eine Scheibe und biss hinein. „Es schmeckt gut.“
„Der Grundstücksmakler, von dem ich das Haus gekauft habe, hat mir erzählt, der Eigentümer sei bei der Marine und viel unterwegs. Hat er von dir gesprochen?“, fragte Carissa stirnrunzelnd.
„Ja. Wie schon gesagt, ursprünglich hat der Landsitz meinem Onkel Prinz Henry de Valmont gehört.“
„Den Namen hat der Makler erwähnt. Ich wusste, dass Mitglieder der Fürstenfamilie den Namen tragen, aber mehr nicht. Warum hat er mir nicht gesagt, dass Tiga Falls Lodge ein fürstlicher Landsitz war?“
„Wahrscheinlich weil er es immer noch ist.“
Sie spürte, wie ihr die Farbe aus dem Gesicht wich. „Oh nein.“
„Es tut mir leid, wenn das ein Schock für dich ist, Cris.“
Tränen traten ihr in die Augen. „Du hast den Immobilienmakler nicht beauftragt, das Haus für dich zu verkaufen?“
„Nein. Tiga Falls Lodge ist Staatseigentum. Ich habe das Recht, das Grundstück zu nutzen, wie ich es für richtig halte. Dieses Recht geht auf meine Erben über. Niemand in der Familie würde jemals daran denken, dieses Anwesen zu verkaufen.“ Eduard beugte sich vor. „Bist du okay?“
„Eigentlich nicht.“ Carissa stand so heftig auf, dass ihr Stuhl umkippte, und rannte hinaus.
Den Flur entlang war eine Gästetoilette. Eduard folgte Carissa, strich ihr übers Haar und sprach beruhigend auf sie ein, dann half er ihr aufzustehen. Ihr Gesicht war kreidebleich, während sie das Glas Wasser trank, das er ihr gereicht hatte.
„In Ordnung jetzt?“, fragte er.
Sie nickte. „Viel besser, danke.“
„Komm mit zurück in die Küche. Oder möchtest du dich lieber hinlegen? Wir können später alles klären.“
„Ich würde mich gern hinlegen, wenn du nichts dagegen hast.“
Eduard begleitete sie in das Zimmer, das sie sich ausgesucht hatte. Fürs Erste würde er ein anderes nehmen. Irgendetwas stimmte nicht mit Carissa. Natürlich war es ein Schock für sie gewesen, zu erfahren, dass der Landsitz nicht ihr, sondern ihm gehörte. Aber das allein konnte es doch wohl nicht sein?
„Soll ich einen Arzt kommen lassen? In Tricot, zwanzig Minuten Fahrzeit entfernt, gibt es einen.“
„Ich habe ihn schon kennengelernt. Hier herausfahren zu müssen wird ihm nicht gefallen.“
Eduard lächelte entschuldigend. „Ein hoher Rang hat seine Vorzüge.“
„Daran habe ich nicht gedacht. Allerdings ist es nicht nötig. Mir wird es bald wieder gut gehen.“
Ihr abweisender Ton verwirrte Eduard. Hatte er in ihrer Teenagerzeit einmal seinen Rang auf eine Art und Weise benutzt, über die sich Carissa geärgert hatte? Er konnte sich nicht erinnern. „Ruh dich aus. Wenn du dich nachher immer noch schlecht fühlst, rufe ich den Arzt, ob du es willst oder nicht.“
Sie legte sich vollständig bekleidet ins Bett, als wäre sie zu erschöpft, um sich auszuziehen. Eduard überlegte, ob er ihr helfen sollte. Nein, besser nicht. Sie zu küssen hatte ihn bereits mehr berührt, als ihm guttat. Schon vor all den Jahren hatte sie ihn gereizt. Damals war sie zu jung für ihn gewesen, sodass er seine Gefühle nicht hatte zeigen können.
Und jetzt, da sie eine Frau war und eine bildschöne obendrein, durfte er es auch nicht riskieren.
Ein hoher Rang mochte Vorteile haben, brachte aber auch Verpflichtungen mit sich. Mit romantischen Spielereien musste Eduard vorsichtig sein. Sein Cousin Michel war der Playboyprinz genannt worden, seine Affären hatten in allen Zeitungen des Landes Schlagzeilen gemacht.
Und nachdem Michels Schwester Prinzessin Adrienne in den Bergen eine Nacht mit einem Mann allein verbracht hatte, sahen die beiden sich gezwungen, ihre Verlobung bekannt zu geben, um öffentliche Kritik zu vermeiden. Eduard wollte weder sich selbst noch eine Frau in solch eine Situation
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