Julia Extra Band 0292
dachte ich, im Haus würde es spuken. Ich musste mich vergewissern, dass Sie kein Gespenst sind.“
„Sie sind verrückt.“
„Und Sie halten sich widerrechtlich auf dem Grundstück auf. Wer sind Sie, und was haben Sie hier zu suchen?“
„Ich? Sie sind der Eindringling. Mir gehört der Landsitz.“
Durchdringend blickte Eduard sie an, und was er sah, lenkte ihn von ihrer dummen Behauptung ab. „Sie kommen mir bekannt vor. Wer sind Sie?“
Sie hatte dasselbe von ihm gedacht. „Carissa Day.“
„Meine Güte, du bist es, Cris!“
„Niemand hat mich mehr Cris genannt, seit ich fünfzehn war. Und damals nur … Eduard? Du bist es wirklich!“
Er hatte sich verändert. Als Teenager hatte er das kastanienbraune Haar länger getragen. Bei der Marine hatte er sich von einem eher schüchternen und gelehrtenhaften Teenager zu einem muskulösen, selbstbewussten Mann entwickelt, der aussah, als könnte er mit den meisten kritischen Situationen allein fertig werden.
„Das habe ich dir ja gesagt.“ Er verschränkte die Arme und genoss offensichtlich ihr Erstaunen.
Carissa hatte sich in den vergangenen zwölf Jahren auch verändert, sie bezweifelte jedoch, dass sie sich so herausgemacht hatte wie er. Mit fünfzehn war sie staksig gewesen, als würden ihre langen Beine nicht zum Rest des Körpers passen. Ihr Haar war dunkler und kürzer gewesen, und sie hatte eine Brille getragen statt der Kontaktlinsen, die sie jetzt verwendete.
„Du bist der Letzte, mit dem ich hier gerechnet hätte.“
„Ich verstehe nicht, warum“, erwiderte er. „Tiga Falls Lodge ist seit einem Jahrhundert im Besitz der Familie. Bis zu seinem Tod im vergangenen Jahr hat es Prinz Henry gehört.“
Carissa runzelte die Stirn. „Deshalb stand es zum Verkauf.“
„Wir müssen uns unterhalten, Cris … Carissa.“ Eduard umfasste ihren Arm.
„Das ist okay. Cris klingt gut, wenn du es sagst.“ Nach Heimkehr, dachte sie.
Während sie sich von ihm in die Küche führen ließ, versicherte sich Carissa, dass sie durch das unerwartete Wiedersehen mit ihm und nicht durch seinen Kuss verwirrt war. Mit einem Blick registrierte Eduard die leere Wäscheleine, und Carissa errötete bei dem Gedanken daran, dass er beim Hereinkommen ihre Dessous gesehen hatte.
Sie war froh, sie abgenommen zu haben. Früher einmal hatte sie gehofft, mit weiblichen Tricks Eduards Aufmerksamkeit zu erregen. Aber diese Zeiten waren lange vorbei. Ihre momentanen Gefühle legten allerdings etwas anderes nahe. Das ist nur die Nachwirkung des Schocks, beruhigte sie sich. Schließlich hatte sie Eduard bis vor wenigen Minuten für einen Einbrecher gehalten.
„Sind dein Vater und dein Bruder auch hier?“, fragte er.
„Mein Vater ist vor einem Jahr an einem Herzinfarkt gestorben.“
„Das tut mir leid. Ist Jeffrey noch in Australien?“
„Dad hat ihm unser Elternhaus vermacht.“ Carissa konnte nicht verbergen, wie verbittert sie deswegen war. Zweifellos hatte Graeme Day geglaubt, alles richtig zu machen. Er hatte in seinem Testament bestimmt, dass Jeffrey das Haus bekam und für Carissa zu sorgen hatte, bis sie heiratete.
Peinlich berührt hatte Jeff darauf bestanden, sie auszuzahlen. Ihren Schmerz hatte das Geld nicht lindern können. Und es hatte sie auch nicht von dem Gefühl der Entwurzelung befreit, das sie schon ihr ganzes Leben quälte.
Kurz nach Carissas Geburt war ihre Mutter gestorben, und die Familie hatte in dem Haus in Australien nur ein paar Jahre gewohnt. Also hatte Carissa eigentlich keinen Grund, es als ihr Zuhause anzusehen. Aber es war das einzige, das sie hatte. Vermacht worden war es allein ihrem Bruder. Das hatte unglaublich wehgetan. Carissa hatte gewusst, was für altmodische Ansichten ihr Vater über Frauen hatte. Trotzdem hätte sie nie gedacht, dass er so etwas tun würde.
„Dein australischer Akzent ist nicht mehr so stark, wie ich ihn in Erinnerung habe“, sagte Eduard.
„Ich habe in den letzten Jahren an einer Hotelfachschule in der Schweiz studiert und nach meinem Abschluss eine Zeit lang dort gearbeitet, bis mir ein Job in Sydney angeboten worden ist.“
Eduard setzte sich an den großen Küchentisch und fuhr mit den Handflächen über die Kiefernholzplatte. „Mein Bruder und ich haben oft an diesem Tisch gesessen und frisch gebackenes Brot gegessen. Den Koch haben wir zur Verschwiegenheit verpflichtet. Unsere Eltern sollten nicht erfahren, dass wir uns mit dem Personal verbrüdert hatten.“
Schon immer war Eduard weniger
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