Julia Extra Band 0292
dass sie vor Frust laut hätte aufschreien können. Davon abgesehen, bewahrte sie in der Lade ihre Unterwäsche auf, die sie ihm unter keinen Umständen präsentieren wollte.
„Da hat sich etwas verklemmt.“ Mit einem Ruck zog er die Schublade auf und fischte ein Nichts aus schwarzer Spitze hervor. „Ah … da haben wir ja den Übeltäter! Und was ist das?“ Er griff nach einer Karte, die oben auf der Wäsche lag. Es war eine Geburtstagskarte für Giorgio, die Libby ihm gleich wieder aus der Hand riss.
„Dazu hast du kein Recht!“, fauchte sie.
Mamma mia! Nicht einmal an das exakte Alter ihres Sohnes konnte sie sich erinnern! „Der Junge wird nächsten Monat sechs, nicht fünf“, stellte Romano mit gerunzelter Stirn fest und sah erst jetzt, dass noch mehr Glückwunschkarten auf Libbys Wäsche lagen. Offenbar eine für jedes Jahr. Blitzschnell fischte er eine weitere heraus, auf der Giorgis erstes Weihnachtsfest stand. Sie sah ziemlich ramponiert aus, aber ganz sicher nicht von der Schublade …
„Gib sie mir wieder!“
Getrieben von Neugier, ignorierte er ihre Forderung und las die Worte auf der Rückseite, wobei er sich wie ein Eindringling fühlte. Danach legte er sie zurück und bemerkte erst jetzt ein kleines weißes Fotoalbum mit einer goldenen Inschrift auf dem Einband: Babys erstes Jahr …
Wie unter Zwang öffnete er es und fand noch mehr Schnappschüsse von Libby, ihren Eltern und Luca, ähnlich denen, die sie Giorgio am Morgen gezeigt hatte. Kleine Erinnerungen, die wenig besagten, für ihren Besitzer aber unbezahlbar waren. Das spürte er mit jeder Faser.
Was hatte sie noch am Flughafen zu ihm gesagt?
„Außerdem habe ich auch ein paar Dinge für Giorgio einge packt.“
Beschämt schloss er das Album und legte es zurück. Hatte er sich etwa in seiner Schwägerin getäuscht? Sie versuchte nicht, sich das Wohlwollen ihres Sohnes zu erkaufen, sondern bot ihm etwas Unersetzliches – Erinnerungen, die nur sie ihm vermitteln konnte, von seinem Vater, wie Libby ihn gekannt hatte, und von seinen Großeltern mütterlicherseits.
„Was hat das zu bedeuten?“, fragte Romano und wies mit dem Kinn auf die Dinge, die sie vor ihm hatte verbergen wollen.
„Ich muss dir gar nichts erklären.“
Als Libby sich von ihm abwenden wollte, hielt er sie am Arm fest. „Ich versuche doch nur zu verstehen!“
Mit einem Ruck hob sie den Kopf und schaute ihm fest in die Augen. Auf ihrer Schläfe pulsierte eine zarte Ader. „Übernimm dich bloß nicht, zio !“
„Libby!“
Ihre Augen wirkten wie tiefe, unergründliche Seen. In ihnen standen Ärger, Verletztheit und noch etwas anderes. War es Schmerz? Oder Angst?
„Aber du hast ihn doch aufgegeben!“, stieß er fast verzweifelt hervor. „Du wolltest ihn nicht in deinem Leben haben!“
„Und dir scheint es ein perverses Vergnügen zu bereiten, mich ständig daran zu erinnern!“
„Ich rede nur sehr ungern darüber“, behauptete Romano. „Aber so war es doch!“
War es tatsächlich so gewesen?
Sie hatte es nicht laut ausgesprochen, sondern musterte nur aus brennenden Augen sein dunkles Gesicht. Kannte Romano möglicherweise wirklich nicht die Hintergründe? Hatte er etwa nicht die Hand dabei im Spiel gehabt?
„Warum dann dieses rührende kleine Museum? Aus Reue, schlechtem Gewissen oder Selbstanklage?“
„Wenn dein Urteil schon feststeht, warum fragst du noch?“
Jede seiner Vermutungen hatte sie mitten ins Herz getroffen. Aber Romano hatte recht. Sie hätte stärker sein und sich gegen den Druck seiner Eltern wehren müssen! Und gegen ihn!
Unwillkürlich glitt ihr Blick zu seinem sensiblen Mund, der für sie gleichzeitig Himmel und Hölle bedeutete. Anklage und Verachtung auf der einen Seite, sexuelle Lust und Wonnen auf der anderen …
„ Sì , Libby.“ Seine Stimme war ein einziges Streicheln. „Auch das möchte ich verstehen …“ Als er sie an sich zog, schrillten in ihrem Kopf tausend Alarmglocken.
„Wann immer ich in deine Nähe komme, sendest du Signale aus, die kein normaler Mann übersehen könnte. So war es schon damals.“
„Das bildest du dir ein! Ich war sehr glücklich mit Luca!“
„Vielleicht warst du das, und möglicherweise habe ich mich damals getäuscht … aber heute ganz sicher nicht. Du willst mich ebenso sehr wie ich dich, cara. Nur im Gegensatz zu dir leugne ich es nicht. Also gestehe … hast du nicht auch ständig daran gedacht, wie gut wir beide im Bett zusammenpassen würden, seit ich dich geküsst
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