Julia Extra Band 0292
ihr Bett herum, und Libby schaute gebannt zu, wie er ersten Kontakt zu seinem kleinen Neffen aufnahm, indem er eine winzige rosige Faust behutsam mit seiner großen Hand umschloss und etwas Unverständliches in seiner Muttersprache murmelte, das so zärtlich klang, dass es ihr die Tränen in die Augen trieb. Sie sah ungefilterte Emotionen über seine dunklen Züge huschen, die das Selbstvertrauen dieses großen starken Mannes zumindest für einen Moment zu erschüttern schienen.
Wie würde Romano Vincenzo wohl die Frau behandeln, die ihm eines fernen Tages seinen ersehnten Erben schenkte?
„Du siehst sehr müde und erschöpft aus, Libby. War es eine sehr schwere Geburt?“, fragte Lucas Bruder.
Mitgefühl von unerwarteter Seite und dazu Romanos forschender Blick erwiesen sich einfach als zu viel für Libbys angeschlagene Gemütsverfassung, und sie brach in heiße Tränen aus.
„Was ist los?“, wollte er wissen, wobei seine Stimme bereits um einige Grade kälter klang. „Ist wohl nicht alles so gelaufen, wie du es geplant hattest, was?“
Da war es wieder, sein wahres Gesicht! Wie hatte sie auch nur eine Sekunde glauben können, er zeige echtes Interesse an ihr.
Libby schloss erschöpft die Augen, drehte den Kopf zur Seite und schwieg.
Erst nachdem Romano endlich gegangen war, brach sie zusammen und weinte verzweifelt in ihr Kissen.
Als Lucas Bruder erneut zu ihr kam – zwölf Stunden später –, überbrachte er Libby die Nachricht vom Tod ihres Mannes.
5. KAPITEL
„Hältst du es wirklich für angebracht, dich mit dieser … Frau zu befreunden?“, fragte Sofia Vincenzo ihren Sohn. In der hellen Morgensonne traten Altersfältchen und herbe Linien in ihrem Gesicht hervor, die ihrer natürlichen Schönheit und Eleganz aber keinen Abbruch taten.
„Ich befreunde mich nicht mit ihr“, wehrte Romano ungeduldig ab. „Aber sie braucht Unterstützung.“
„Die du ihr gibst.“
Er beobachtete, wie seine Mutter mit der Grazie einer Primaballerina frische Schnittblumen zu einem wunderschönen Bukett arrangierte, und erinnerte sich daran, wie oft er als Kind und noch als Jugendlicher versucht hatte, diese Aura der Perfektion und Unantastbarkeit zu durchbrechen. Irgendwann hatte er es aufgegeben.
„Was beabsichtigst du damit?“, forschte sie weiter, ohne den Blick von den Blumen zu nehmen. „Darf ich dich daran erinnern, dass dein Vater sie nicht mochte? Und das nicht ohne Grund. Oh, ich weiß … sie ist sehr attraktiv und dazu geschaffen, die Fantasie eines jeden Mannes zu beflügeln. Aber viel zu kalt und berechnend, um dein Herz zu berühren – wenn du überhaupt eines hast, außer für Giorgio.“
Romano biss die Zähne zusammen und verbot sich, in die Falle zu tappen. Ein weiteres sinnloses Wortgefecht war das Letzte, was er jetzt brauchte. Es hatte noch nie zu etwas geführt, sondern war einfach nur quälend, zumindest für ihn.
„Ich muss jetzt los“, informierte er Sofia. „Gibt es irgendetwas, das ich für dich erledigen kann?“
„Ja.“ Sie wandte sich ihm zu, ihr silbergraues Haar leuchtete wie flüssiges Silber in der Sonne, doch die goldenen Augen blickten kalt, und um den Mund lag nicht der Anflug eines Lächelns. „Vergiss nie, was sie meinem Sohn angetan hat.“
Ihr Sohn! Sein Bruder!
Romanos Miene verhärtete sich, während er sich abwandte und ohne ein weiteres Wort den Raum verließ. Luca war immer der Liebling seiner Mutter gewesen … ihrer Mutter! Daraus hatte Sofia nie ein Geheimnis gemacht.
Und sein jüngerer Bruder brauchte tatsächlich besondere Aufmerksamkeit und Führung, wie Romano sich gut erinnerte. Jemand, der seine Abenteuerlust und seine überschüssigen Energien in konstruktive Bahnen leitete und ihn vor den Folgen seiner Verantwortungslosigkeit bewahrte.
Und bei Gott! Er als der Ältere und Vernünftigere hatte sein Bestes versucht, wie Romano sich noch voller Schmerz erinnerte. Wieder und immer wieder …
Zwei Stunden später hatte Romano seine Besorgungen erledigt, war in den Palazzo zurückgekehrt und suchte nach einem Anzeichen von Leben in den großen, verlassenen Räumen.
Dann fiel ihm ein, dass seine Mutter mit Giorgio einen besonderen Busausflug zur Küste geplant hatte.
„Warum kann mamma nicht mitkommen?“, hatte der Kleine ernsthaft gefragt, als beim Dinner darüber gesprochen wurde.
„Weil wir nur zwei Tickets haben“, lautete die ultimative Antwort seiner nonna.
Obwohl er kaum anders über Libby dachte als Sofia, hatte er in diesem
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