Julia Extra Band 0292
das Schlichte, Spartanische, nicht wahr?“, fragte sie später, als sie die luftigen Omelettes genossen hatten, zu denen Romano einen leichten Salat mit frischen Kräutern gezaubert hatte. Auch hier in der Küche war auf jede weitere Farbe verzichtet worden, sodass die natürlichen Schattierungen in den kostbaren Materialien wie dem Fußboden und den Arbeitsplatten aus Marmor, den Möbeln aus gelaugtem Holz und den gebleichten Voilevorhängen vor den bogenförmigen Fenstern perfekt zur Geltung kamen.
„ Sì. Ich finde, das Leben ist schon bunt und kompliziert genug. Da braucht man Inseln der Entspannung – fürs Auge und für die Seele.“
Libby war überrascht über die ehrliche und ernsthafte Antwort, mit der er ihr einen Einblick in seine privaten Empfindungen gab. Das ermutigte sie, ebenfalls offen zu sein. „Bin ich für dich auch eine dieser Komplikationen?“, fragte sie leise.
„ Sì “, kam es postwendend zurück. „Absolut.“
Warum?, hätte sie am liebsten weitergefragt. Weil du nicht vorhattest, mit mir ins Bett zu gehen? Weil es zwischen uns so viel unerledigte Themen gibt?
„Eine Geliebte verursacht immer Probleme, nicht wahr?“, hakte Libby spröde nach und überlegte, ob es außer ihrem Sohn noch weitere Menschen in Romanos Leben gab, die tiefere Gefühle in ihm wachrufen konnten. Die schöne Maddalena vielleicht?
„Ja“, sagte er knapp. „Trink deinen Wein aus. Er ist zu gut, um ihn umkommen zu lassen. Ich fürchte, ich muss dich jetzt nach Hause bringen, cara. “
Schuldbewusst griff sie nach ihrem Glas und trank bedächtig die letzten Schlucke, wobei sie versuchte, so entspannt und weltgewandt zu wirken wie die mondänen Frauen, die Romano sonst am helllichten Nachmittag in seinem Bett hatte.
Er selbst mochte es nur als ein erotisches Intermezzo, eine entspannende Unterbrechung des schnöden Alltags ansehen, aber Libby wusste, dass ihr Leben nach diesem Tag nie wieder dasselbe sein würde.
Sie waren noch nicht im Auto, da klingelte Romanos Handy. Er nahm den Anruf entgegen, sagte etwas auf Italienisch und suchte Libbys Blick. Augenblicklich spürte sie, wie ihre Nackenhaare sich aufrichteten.
„Es geht um Giorgio“, sagte Romano.
8. KAPITEL
Giorgi verletzt? Während eines normalen Ausflugs mit seiner Großmutter ans Meer?
Er sei gefallen, hatte Sofia gesagt. Als er von einer niedrigen Mauer runterspringen wollte. Wie konnte so etwas passieren?
Völlig verkrampft saß Libby auf dem Beifahrersitz und rang stumm die Hände im Schoß, während Romano den Wagen mit grimmiger Miene und im hohen Tempo heimwärts steuerte. Was mochte er in diesem Moment denken? Ob ihm das Gleiche durch den Kopf ging wie ihr? Dass sie beide zusammen im Bett lagen, während ihr kleiner Sohn …
Es war sinnlos. Selbst wenn sie gleich in den Palazzo zurückgefahren wären, hätte das Giorgios Sturz nicht verhindern können. Und dennoch! Wenigstens wäre sie da gewesen, um ihn zu trösten!
Es war bereits dunkel, als sie endlich ankamen, und Libby rannte, ohne zu zögern, ins Haus.
„Wo ist er?“, fragte sie atemlos, als sie in der Eingangshalle auf Angelica traf, die ihr mit einem Korb voller Blumen entgegenkam, die sie offensichtlich gerade frisch aus dem Garten geholt hatte. „Ist er oben in seinem Zimmer?“
„Wer? Giorgio?“ Angelica lächelte. „Ja, der arme Schatz! Er war so müde von dem Ausflug, dass er gleich zu Bett gegangen ist.“ Dabei wirkte sie so entspannt, dass Libby sich fragte, ob die Haushälterin vielleicht gar nicht von dem Unfall unterrichtet worden war.
Romano holte Libby ein, ehe sie den oberen Treppenabsatz erreicht hatte. Sie trafen Sofia vor Giorgios Zimmer, als sie gerade die Tür schließen wollte.
„Wie geht es ihm?“ Die Frage war rein rhetorisch, weil Romano gleichzeitig einfach an seiner Mutter vorbeieilte. Als Libby ihm folgen wollte, stellte sich ihr Sofia in den Weg.
„Momentan ist es nicht angeraten, wenn er zu viele Menschen um sich hat“, erklärte sie kühl, während sie missbilligend das wirre Haar und das zerknitterte Baumwollkleid ihrer Schwiegertochter musterte. Libby wusste genau, was Romanos Mutter dabei durch den Kopf ging. „Der Arzt hat ihm absolute Ruhe verordnet.“
„Aber ich bin seine Mutter, Sofia!“
Libbys leidenschaftliches Statement schockierte die alte Dame derart, dass sie ihre Schwiegertochter ungehindert passieren ließ. Und deren Angst wurde von dem freudigen Schock abgelöst, ihren Sohn nicht in großen Schmerzen,
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