Julia Extra Band 0292
er mit schmeichelhafter Begeisterung und verständlicher Neugier begrüßt. Alle wollten wissen, was es mit dem Streit in London auf sich gehabt hatte.
„Worum ging es denn?“, erkundigte sich der Chefredakteur Jock Guiness. „Vorlauter junger Australier legt sich mit britischen Erzkonservativen an?“
„Eher: Missratener Sohn spuckt endlich den Schnuller aus, als reicher Vater sich einmischt, um den Junior auf der britischen Karriereleiter nach oben zu schubsen.“
„Das hat dein Vater tatsächlich gemacht?“, fragte Jock entgeistert.
„Wer sonst?“, erwiderte Ryan spöttisch.
Alle nahmen an, er würde seinen früheren Job wieder aufnehmen, und der Personalchef versicherte ihm, innerhalb von zehn Minuten könne man ihm einen Schreibtisch freimachen, aber er schüttelte den Kopf.
Er hatte es satt, zahme Storys über die Gewinnerin des Blumenschmuckwettbewerbs des Frauenvereins zu verfassen, wie sie meist auf der Tagesordnung standen.
Jock akzeptierte die Entscheidung, wenn auch mit Bedauern. Er war überzeugt, dass Ryan sich als freier Journalist bewähren würde, und sagte es ihm auch.
Dann machte Ryan die Runde bei seinen Kollegen. Als er sich mit Meg James unterhielt, entdeckte er auf ihrem Schreibtisch ein Magazin mit dem Foto der jungen Frau, die ihm am Flughafen aufgefallen war. Mit gekreuzten Beinen saß die schöne Unbekannte auf einem Hang, hinter sich eine spektakuläre Schlucht und schneebedeckte Gipfel in der Ferne.
Wieder überlief Ryan dieses seltsame Prickeln.
Er hatte beim Fundbüro des Flughafens angerufen, aber niemand hatte bisher den Verlust eines Tagebuchs gemeldet. Mehr war ihm noch nicht eingefallen, um die schöne Fremde ausfindig zu machen, und nun spielte ihm der Zufall ihr Bild in die Hände!
Sie war mindestens so faszinierend, wie er sie in Erinnerung hatte. Am Flughafen waren alle anderen neben ihr quasi verblasst, und seit er ihr in die Augen geblickt hatte, fühlte er sich ihr auf geheimnisvolle Weise verbunden.
Natürlich auch durch ihr Tagebuch, selbst wenn er es nicht gelesen hatte. Eine Schande, dass er es ihr bisher noch nicht zurückgeben konnte!
Am liebsten hätte er die Zeitschrift an sich gerissen, aber er schaffte es, ganz beiläufig darauf zu zeigen und Meg zu fragen: „Leihst du mir die?“
Sie lächelte. „Bedien dich. Seit wann interessierst du dich für City Girl ?“
„Es geht mir nur um diesen Artikel über die Radtour im Himalaja.“
„Ja, das ist ein guter Reisebericht“, lobte Meg. „Simone stellt uns alle in den Schatten.“
Simone, wiederholte Ryan im Stillen. Ein wunderbarer Name mit einem irgendwie sinnlichen Klang, ein bisschen ungewöhnlich. Ja, er passte genau zu ihr!
„Simone Gray“, las er laut den Namen unter dem Artikel.
„Kennst du sie nicht?“, fragte Meg verwundert. „Sie ist Chefredakteurin von City Girl. “
„Tatsächlich? Erzähl mir ein bisschen mehr über sie!“
„Ich werde grün vor Neid, wenn ich nur an sie denke. Sie ist klug, erfolgreich und hat den Job, von dem ich immer schon geträumt habe.“ Meg seufzte. „Immer, wenn ich sie sehe, hat sie einen neuen Mann im Schlepptau, der natürlich, so wie alle, ganz verrückt nach ihr ist. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, spendet sie nicht etwa nur Geld für dieses Straßenkinderprojekt, das ihr sehr am Herzen liegt, sondern nimmt sogar selbst an der unglaublich harten Benefizradtour im Himalaja teil. Dagegen sehen wir anderen aus wie die reinsten Faulpelze.“
Rasch legte Ryan das Magazin auf den Schreibtisch zurück.
„Willst du es jetzt doch nicht mehr lesen?“, fragte Meg erstaunt.
„Danke, ich hole mir meine Informationen lieber aus erster Hand“, erklärte er und war auch schon aus dem Büro verschwunden.
Simone hatte ihrer Assistentin freigegeben und musste daher die eingehenden Anrufe selbst beantworten. Beim ungefähr dreißigsten Anruf reagierte sie schon ganz mechanisch.
„Guten Morgen. Hier Simone Gray. Was kann ich für Sie tun?“
„Hallo, Simone. Ich heiße Ryan Tanner und bin ebenfalls Journalist. Ich wollte Ihnen nur sagen, wie sehr mir Ihr Artikel über die Radtour im Himalaja gefallen hat. Wirklich gute Arbeit! Gratuliere.“
Was soll das?, dachte Simone und runzelte die Stirn. Der Artikel war professionell geschrieben und dazu gedacht, die eine oder andere Leserin vielleicht zu mehr sozialem Engagement anzuregen. So sensationell, dass er die Aufmerksamkeit eines Kollegen erklären würde, war der Bericht allerdings
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