Julia Extra Band 0292
gemeinsamen Essen mit Simone, mittlerweile schwarz und vertrocknet.
Im Kerzenlicht hatte sie so wunderschön wie eine Göttin ausgesehen.
Er vermisste sie.
Mein lieber Mann, dich hat es ja schlimm erwischt, sagte Ryan zu sich und begann, die Blüten einzusammeln, die noch immer zart dufteten.
War er wirklich gut genug für eine Frau wie Simone?
Nein, sein Vater hatte recht. Er, Ryan Tanner, musste endlich etwas aus seinem Leben machen, um Simone zu beeindrucken.
Oder war es dafür schon zu spät?
Sie fühlte sich zu ihm hingezogen, so viel war sicher. Sie war ihm dankbar, weil er ihr beigestanden hatte.
Aber dachte sie an eine gemeinsame Zukunft mit ihm?
Das Telefon klingelte, als Ryan am folgenden Nachmittag nach Hause kam. Rasch hob er ab.
Am Apparat war sein Freund Mick, der begeistert berichtete, dass aufgrund eines Seebebens nahe der afrikanischen Küste eine Riesenwelle vor Tasmanien erwartet wurde.
„Die ultimative Welle?“ Ryans Herz begann, schneller zu klopfen. „Wie viel Zeit haben wir, bis es so weit ist?“
„Weniger als vierundzwanzig Stunden.“
In weniger als einer Stunde hatte Ryan gepackt und war auf dem Weg nach draußen, wo schon ein Taxi bereitstand. Er hatte Simone telefonisch nicht erreichen können, also hatte er ihr eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen.
Plötzlich fiel ihm ein, dass er seinen Briefkasten nicht geleert hatte. Er holte es nach und fand einen wattierten Umschlag.
Da er keine Zeit mehr hatte, ihn ins Haus zurückzubringen, steckte er den Umschlag vorerst in die Tasche. Im Taxi holte er ihn heraus und riss ihn auf.
In dem dick wattierten Brief befand sich Simones Tagebuch. Das Buch, dem sie all ihre Geheimnisse anvertraut hatte.
Offensichtlich wollte sie, dass er es las.
Also öffnete er es und begann zu lesen.
„Inland oder international?“
Die Frage riss ihn aus seiner Versunkenheit. Er sollte sich jetzt lieber auf die vorliegende Aufgabe konzentrieren: den Flug nach Tasmanien, um dort die ultimative Story über die ultimative Welle zu schreiben!
„Zum Inlandterminal“, bat er und schloss das Tagebuch.
Als Ryan das Ticket gekauft und den Sicherheitscheck hinter sich gebracht hatte, setzte er sich in die Abflughalle und las weiter in dem Tagebuch.
Simone hatte alles festgehalten, was sie beschäftigte: die Ereignisse auf der Radtour, dazu aber auch ihre Ängste und Hoffnungen, ihre Sehnsüchte und Geheimnisse. Schließlich schilderte sie den Pakt mit ihren neuen Freundinnen, in dem sie sich verpflichteten, die Dämonen ihrer Vergangenheit zu bannen und alte Fehler zu korrigieren.
Schon bald wurde der Flug nach Tasmanien aufgerufen.
Ryan stellte sich in der Schlange an und las im Gehen weiter. Plötzlich hatte er das Gefühl, Simone wäre bei ihm und würde mit ihm reden.
Er hörte förmlich ihre sanfte Stimme, wie sie sagte:
Ich träume davon, eines Tages einen Mann kennenzuler nen, dem ich voll vertrauen und dem ich alles anvertrauen kann. Weil ich ihn liebe.
Mein Geheimnis wäre für ihn eine schwere Bürde, aber wenn es ihn nicht abschrecken würde, wenn er mich wei ter lieben könnte trotz meiner Vergangenheit, wäre das für mich das allerschönste Geschenk.
Und wenn ich jemals mein dunkles Geheimnis einem Mann enthülle, werde ich wissen, dass ich ihn von ganzem Herzen liebe und ihm von Grund auf vertraue.
Ob es diesen Mann irgendwo gibt? Den einen unter sechs Milliarden Menschen?
11. KAPITEL
Simone war unglaublich enttäuscht, als sie von der Arbeit nach Hause kam und auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht von Ryan vorfand, dass er nach Tasmanien fliegen müsse.
Und was war mit ihrem Tagebuch?
Das lag jetzt tagelang in seinem Briefkasten!
In der Mittagspause war sie zu seinem Apartment gefahren, in der Hoffnung, ihn dort anzutreffen. Sie musste ihn einfach sehen und sich überzeugen, dass sie sich den distanzierten und zugleich besorgten Ausdruck in seinen Augen nur eingebildet hatte.
Den ganzen Vormittag hatte sie sich mit dem Entschluss herumgequält, ob sie Ryan das Buch bringen sollte. Dann hatte sie sich dafür entschieden. Er war die große Liebe ihres Lebens, der einzig Richtige. Sie konnte sich ihr Leben ohne ihn schon gar nicht mehr vorstellen.
Ihr Tagebuch sollte ihm erklären, wie sie wirklich war, es sollte ihm das ganze Bild zeigen … und ihm zu verstehen geben, dass er der Mann war, von dem sie immer geträumt hatte.
Aber Ryan war nach Tasmanien unterwegs.
Und ihr Tagebuch lag in seinem
Weitere Kostenlose Bücher