Julia Extra Band 0292
allein gestürzt sein konnte. Sie hat einfach nicht auf mich gehört. Ich war nicht einmal als Zeugin beim Prozess eingeladen. Mom hat die Schuld auf sich genommen … und die Strafe.“
Es kostete sie viel Mühe, ihre Tränen zurückzuhalten. „Ich habe getan, was sie von mir verlangt hat. Sie wollte mich beschützen, sie wollte nicht, dass ich durch ein Geständnis mein ganzes Leben verpfusche.“
Hastig strich sie sich über die Augen und wünschte, Ryan würde sie umarmen. Dann müsste sie seinen bekümmerten Ausdruck nicht mehr sehen.
„Mom hätte nicht ins Gefängnis gemusst. Dann wäre sie auch nicht im Gefängniskrankenhaus gestorben. Es hieß, ihre Krankheit habe sich durch den Stress verschlimmert.“ Nun schluchzte Simone. „Also bin ich schuld, dass Mom starb. Ich habe sie getötet!“
„Das stimmt nicht!“, protestierte Ryan. „Wenn jemand schuld hatte, dann dein brutaler Stiefvater, der euch das Leben zur Hölle gemacht hat.“
„Aber den habe ich doch auch umgebracht“, klagte sie.
„Du wolltest deine Mutter verteidigen“, warf nun ihr Großvater ein. „Es war eindeutig ein Unfall.“
Ryan stöhnte laut auf, worauf sie vor Schreck erschauderte. Sie traute sich nicht, ihn anzusehen. Bestimmt verabscheute er sie jetzt … und wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben.
Schluchzend brach sie auf dem Sofa zusammen und ließ ihren Tränen endlich freien Lauf.
Sie hatte sich so bemüht, allen und auch sich selbst zu beweisen, dass sie kein schlechter Mensch war. Sie hatte eifrig gelernt und studiert, war immer unter den Besten gewesen, hatte in kurzer Zeit eine beachtliche Karriere gemacht … Aber was hatte es genutzt?
Was machte das Leben überhaupt noch für einen Sinn?
Nach einer scheinbaren Ewigkeit merkte Simone, dass ihre Tränen endlich versiegten. Und sie spürte eine Hand auf ihrem Haar, hörte eine Stimme.
Die etwas brüchige Stimme eines alten Mannes. „Simone, Kleines, beruhige dich doch!“
Sie blickte hoch und sah ihren Großvater, dessen Augen feucht schimmerten. Und als sie sich aufsetzte, wurde ihr klar, dass Ryan nicht mehr neben ihr saß. Ihr Herz schien einen Schlag lang auszusetzen. Hatte ihr Geständnis ihn vertrieben?
„Wo ist Ryan?“
„Ich habe ihn gebeten, mich eine Weile mit dir allein zu lassen“, erklärte ihr Großvater und setzte sich neben sie.
„Ach Grandpa! Kannst du mir jemals verzeihen?“
„Ich dir? Simone, ich sollte dich auf Knien um Vergebung anflehen! Wir Erwachsenen haben dich damals im Stich gelassen. Sogar deine Mutter …“ Traurig schüttelte er den Kopf. „Ich wollte ihr den besten Verteidiger Australiens besorgen, aber sie wollte nichts mit ihm zu schaffen haben.“
„Ich glaube, sie ist in Panik geraten“, erklärte Simone einsichtig. „Sie hatte Angst, ein geschickter Rechtsanwalt könnte ihr die Wahrheit entlocken. Und dann wäre ich dran gewesen. Sie hat versucht, mich zu schützen.“
„Ja“, stimmte der alte Mann zu und seufzte schwer. „Aber sie hätte sich mir anvertrauen sollen! Es wäre mir ein Leichtes gewesen, ihr klarzumachen, dass man dich niemals verurteilen würde, weil das Ganze nachweislich ein Unfall war. Niemand hätte leiden müssen …“
Irgendwie war Simone das schon seit Jahren klar, aber sie hatte diese Einsicht erfolgreich verdrängt. Weil das Opfer ihrer Mutter dadurch so sinnlos erschien. Und das wäre noch schlimmer gewesen, als sich selbst schuldig zu fühlen …
„Meine Angela war immer sehr eigenwillig.“ Mit zitternden Fingern rückte er seine Brille zurecht. „Sie hat ja auch nicht auf mich gehört, als ich sie vor diesem Harold Pearson zu warnen versuchte.“
Der Kummer ihres Großvaters war so offensichtlich, dass Simone nicht anders konnte, als ihn tröstend zu umarmen. „Tut mir leid, Grandpa, dass ich dir das alles aufgebürdet habe“, sagte sie leise.
„Schon gut! Ich bin dir sehr dankbar … weil ich dich jetzt endlich wiederhabe, mein Kleines!“
Sie schmiegte ihr Gesicht an seins und spürte die Tränen auf seinen Wangen.
Und auf ihren eigenen.
Und die Last, die so lange auf ihren Schultern gelegen hatte, schien sich plötzlich zu heben.
10. KAPITEL
Ryan saß auf der Veranda und blickte auf die Koppeln, die sich bis zum Fluss hinzogen. Im Kopf hallten bestimmte Worte seines Vaters nach wie ein unwillkommenes Echo.
Ryan müsse sich anstrengen, um eine Frau wie Simone zu beeindrucken. Ein nichtsnutziger Strandläufer würde ihr nicht genügen, nicht einmal wenn
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