Julia Extra Band 0292
Briefkasten, einem dieser amerikanischen, den jeder nach Belieben öffnen konnte.
Simone hielt sich nicht damit auf, sich etwas Bequemeres anzuziehen, sondern eilte in ihrem roten Kostüm und den hochhackigen Schuhe in die Tiefgarage des Redaktionsgebäudes und stieg in ihr Auto.
Beim Zurücksetzen hätte sie beinah einen schnittigen Sportwagen gerammt, dessen Fahrer empört hupte.
Reiß dich zusammen, Simone!, ermahnte sie sich und fuhr etwa langsamer auf die Straße. Dort musste sie abrupt bremsen, weil ihr ein Fußgänger vor den Kühler lief.
Allerdings nicht irgendein Fußgänger. Ryan!
Ein Stromstoß schien sie zu durchzucken, als sie ihn erkannte. Er sah wie immer umwerfend aus und winkte ihr heftig zu.
Wieso war er hier und nicht in Tasmanien?
Hinter ihr wurde gehupt. Sie musste etwas unternehmen, statt hier mitten im Weg zu stehen und den Verkehr aufzuhalten.
Mit einer Handbewegung machte sie Ryan klar, dass sie wenden und zurückkommen würde, aber sie musste ein ganzes Stück fahren, bevor sie eine Stelle fand, an der sie umdrehen konnte, ohne den Verkehr noch weiter zu beeinträchtigen.
Simone hielt vor dem Haus und stieg aus. Sie war völlig verwirrt.
Aber Ryan lächelte strahlend, als er auf sie zulief. Stürmisch umarmte er sie und hielt sie so fest, als wollte er sie nie wieder loslassen.
„Was ist?“, rief sie, von der freudigen Überraschung nun komplett durcheinander. „Ich dachte, du bist unterwegs nach Tasmanien.“
„Das war ich auch, aber ich habe auf dem Weg zum Flughafen angefangen, dein Tagebuch zu lesen, und als ich schon fast auf der Treppe in den Flieger war, auch die letzte Seite. Da musste ich einfach umdrehen.“
Er ließ sie los, und nun hatte sie das Gefühl zu schweben. Als wäre sie unterwegs in Richtung Wolke sieben.
„Ich wollte, dass du alles über mich weißt, Ryan. Du bist der Mensch, vor dem ich keine Geheimnisse haben möchte.“
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel mir das bedeutet. Ich wollte nur noch so schnell wie möglich zu dir.“
„Aber ich wollte deine Pläne nicht durcheinanderbringen. Du warst unterwegs zur perfekten Welle, oder? Es war doch schon immer dein Traum, darüber zu berichten.“
„Vergiss die Welle! Die nächste in dieser Größe wird zwar erst in etwa hundert Jahren erwartet, aber so lange kann ich es aushalten. Es gibt Wichtigeres!“
„Was denn, Ryan?“
„Uns! Ich bin der Richtige für dich. Der eine unter sechs Milliarden, wie du es im Tagebuch formuliert hast.“
Ihr war gleichzeitig zum Lachen und Weinen zumute. „Und ich habe mich schon panisch gefragt, ob es richtig war, dir das Buch zu geben.“
„Oh ja, das war es!“
„Weißt du, ich hatte den Eindruck, du hättest dich verändert, seit wir bei meinem Großvater waren. Du hast irgendwie besorgt gewirkt.“
„Aber nicht aufgrund deiner Beichte“, versicherte Ryan ihr. „Oder nur indirekt. Ich bin mir wie ein Versager vorgekommen, nachdem ich gehört hatte, wie tapfer du dich mit all den Katastrophen in deinem Leben auseinandergesetzt und es trotzdem geschafft hast, dir eine Karriere aufzubauen. Du bist eine bemerkenswerte Frau, und ich habe angefangen, zu glauben, dass ich nicht gut genug für dich bin.“
„Wie bitte? Nicht gut genug, Ryan? Soll das ein Witz sein? Du bist doch ein Traummann!“
„Ich? Ich bin nur ein freiberuflicher Schreiberling und nichtsnutziger Strandläufer, wie mein Vater mal anschaulich formulierte.“
„Du bist kein Nichtsnutz!“, protestierte sie empört. „Sondern der aufregendste Mann, der mir jemals begegnet ist.“
„Ich habe nicht mal einen Karriereplan.“
„Na und? Einen Karriereplan kann ich nicht lieben. Ein Karriereplan schenkt mir keine Gefühle, so wie du es tust. Ich will dich, Ryan Tanner, so wie du bist! Es gibt nichts, was ich an dir ändern möchte.“
Seine Augen leuchteten, und er lächelte schelmisch. „Aber ich möchte einiges ändern. Ich habe Kapital, das ich sinnvoll zu investieren gedenke. Würdest du Einspruch erheben, wenn ich jetzt einen richtigen Beruf anstrebe?“
Simone überlegte kurz. „Nein, ich glaube nicht. Vorausgesetzt, du suchst dir eine Beschäftigung, die dir wirklich Freude macht. Moment mal. Du denkst doch nicht etwa daran, das Surfen aufzugeben?“
„Nie im Leben! Trotzdem wirst du dich daran gewöhnen müssen, mich öfter in einem Anzug zu sehen als in der Badehose.“
„Nur mit einem Handtuch wärst du mir am liebsten“, spielte sie auf das Foto an, das
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