Julia Extra Band 0292
er Tanner hieß …
Seit er Simones Geschichte gehört hatte, wusste er, wie recht sein Vater hatte. Simone hatte so viel durchgemacht, sich so tapfer mit furchtbaren Dingen auseinandergesetzt, dass eine schwächere Frau daran zerbrochen wäre.
Daneben hatte sie Karriere bei City Girl gemacht und setzte sich auch noch aktiv für Straßenkinder ein.
Im Vergleich damit waren seine Probleme unbedeutend. Rebellion gegen den Vater und dessen Lebensweise, das waren Konflikte, die die meisten Menschen in der Pubertät hinter sich ließen … Und er hatte sich sein ganzes Leben lang davon beeinflussen lassen!
Die Ellbogen auf die Knie gestützt, starrte Ryan die Schafe auf der Weide an. Was kann ich Simone bieten?, fragte er sich. Na gut, er konnte schreiben, und er konnte seine Storys verkaufen … aber er hatte nie an eine Karriere gedacht. Nein, er hatte immer wieder neue Vorwände gefunden, sich durchs Leben treiben zu lassen.
Er hatte sich vorgemacht, sein Leben wäre in Ordnung.
Er hatte sich eingeredet, Simone könnte daran interessiert sein, ihr weiteres Leben mit ihm zu verbringen.
Und er hatte sich nie eingestanden, was andere in ihm sahen: Ryan Tanner, den genusssüchtigen Nichtsnutz ohne Ehrgeiz.
Der Gedanke war alles andere als erhebend.
Nachdem Simone sich das Gesicht gewaschen und das Haar gebürstet hatte, ging sie auf die Veranda zu Ryan.
Er sah nachdenklich aus und war ziemlich blass unter seiner Sonnenbräune.
Als er sie kommen sah, stand er auf und fasste sie bei den Händen.
„Danke, dass du mich hierhergebracht hast“, begann sie. „Und dass du bei mir warst während des Gesprächs mit meinem Großvater. Ohne dich hätte ich es nicht geschafft.“
„Gern geschehen. Habt ihr euch denn jetzt auch noch unterhalten?“
„Ja. Grandpa ist wirklich sehr verständnisvoll. Ich fühle mich jetzt viel besser. Sogar noch erleichterter als in den Bergen, nachdem ich Belle und Claire alles gestanden hatte.“
„Du verdienst es, glücklich zu sein“, versicherte er ihr und nahm sie in die Arme.
Simone hatte das Gefühl, etwas hätte sich in ihm geändert. Der Ausdruck seiner Stimme, der Blick in seinen dunkelbraunen Augen …
Ihr Herz schien einen Schlag lang auszusetzen. War Ryan so schockiert über ihre Geschichte, dass seine Gefühle abgekühlt waren? Wollte er sich von ihr distanzieren?
Sie löste sich von ihm und sah ihn eindringlich an. „Ist alles in Ordnung?“
„Ja, sicher. Ich freue mich für dich, dass du jetzt alles geklärt hast.“
„Tut mir leid, dass ich dir diese riesige Last meiner Probleme aufgebürdet habe“, entschuldigte sie sich. „Wahrscheinlich meinst du, ich hätte lieber eine Therapie machen sollen.“
„Unsinn! Du bist die am wenigsten neurotische Frau, die ich kenne“, versicherte er.
Sie hätte ihm gern geglaubt, aber noch immer war da dieser seltsam ferne Ausdruck in seinen Augen. Ein Ausdruck, der ihr Angst zu machen begann.
Jonathan bestand darauf, dass sie in Murrawinni übernachteten. Ryan wurde in einem Gästezimmer untergebracht, Simone in ihrem früheren Kinderzimmer.
„Ich hoffe, das Arrangement passt euch beiden“, meinte der alte Mann, und seine blauen Augen funkelten.
Simone wurde rot, versicherte aber, dass sie keine Probleme habe, allein zu schlafen. Was Ryan dachte, wagte sie sich nicht vorzustellen.
Die Haushälterin Connie zauberte ein herzhaftes Abendessen mit drei Gängen, genau das Richtige, um die Rückkehr der verlorenen Enkelin zu feiern. Jonathan war sprühend guter Laune, was gut war, weil er so nicht merkte, wie still seine beiden Gäste waren.
Ryan schien sogar von Minute zu Minute zurückhaltender zu werden, fand Simone.
Oder erwartete sie einfach zu viel von ihm? Sie kannten sich ja wirklich noch nicht sehr lange, trotzdem hatte sie den Ärmsten schon in ihre ganz persönliche Tragödie verstrickt.
„Du bist deinem Vater sehr ähnlich, Simone“, meinte Jonathan und füllte die Weingläser auf.
„Du findest, ich sehe ihm ähnlich?“, hakte sie nach.
„Das auch, aber vor allem bist du ihm charakterlich nachgeschlagen. Er war ein echter Held.“
„Wirklich? Erzähl mir mehr über ihn“, bat sie eindringlich.
„Du weißt ja, dass er in Vietnam gefallen ist. Er starb bei dem Versuch, einen Kameraden aus dem feindlichen Feuer zu retten.“ Jonathan legte seine Hand auf ihre. „Du bist ebenso mutig wie er. Kein Wunder, dass du deine Mutter vor Harold zu schützen versucht hast.“
„Danke, das ist ein
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