Julia Extra Band 0293
„Gefühlskälte“ gesagt hatte. Womöglich hatte sie mit ihrer Bemerkung nicht ganz unrecht.
Nach dem Duschen wickelte er sich ein Handtuch um den durchtrainierten Unterkörper und ging zum marmornen Waschtisch am anderen Ende des riesigen Badezimmers. Vor dem antiken Spiegel strich er sich prüfend übers Kinn. Doch als er den lächerlichen Hoffnungsschimmer und die Vorfreude in seinen Augen sah, wandte er sich leise fluchend von seinem Spiegelbild ab.
Natürlich war Caitlin schon einmal auf Oak Grove gewesen. Trotzdem wirkte das große, beeindruckende Haus einschüchternd auf sie. Auch Flynns abweisende Art trug nicht dazu bei, dass sie sich besser fühlte.
„Ich bleibe nicht lange“, verkündete sie deshalb schnell, während sie mit ihren blauen Augen nervös sein ernstes Gesicht musterte. „Ich bin immer noch nicht mit dem Sortieren von Dads Sachen fertig. Einiges wollte ich der Kirche für ihren Basar spenden, auch wenn wir nicht viel hatten. Hauptsache, Dad konnte die Rennnachrichten im Radio hören und sich hin und wieder ein Bier im Pub genehmigen, dann war er glücklich“, fügte Caitlin hinzu und überlegte gleich darauf, ob das auch der Wahrheit entsprach. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte er eigentlich kaum noch gelächelt, geschweige denn herzhaft gelacht. Als ihr klar wurde, dass sie gar nicht wusste, ob ihr Vater glücklich gewesen war, verspürte sie ein seltsames Gefühl in der Magengegend.
„Komm, stell dich an den Kamin. Du zitterst ja!“, sagte Flynn und kam auf sie zu. „Geht’s dir nicht gut?“
„Doch, doch.“ Sie rang sich ein Lächeln ab, aber das verschwand, als Flynn sich neben sie stellte. Wieder war sie irgendwie eingeschüchtert, diesmal aber aus einem anderen Grund. Bei seiner beeindruckenden Männlichkeit und Stärke verschlug es ihr beinah die Sprache, besonders im Hinblick auf das Geständnis, das sie ihm machen wollte.
„Du wirst dich doch gestern nicht erkältet haben?“, fragte er jetzt ernsthaft besorgt und half ihr aus dem Mantel.
„Nein … nein, Flynn, ich –“
„Du hast eine neue Frisur – irgendwie kürzer“, sagte er dann mit geradezu hypnotischem Timbre in der Stimme, und Caitlin spürte, wie sie dabei ein wohliger Schauer überlief.
„Das ist praktischer, wenn man morgens schnell aus dem Haus muss.“ Als Flynn nun über ihr Haar strich, begann ihr Herz wie wild zu schlagen.
„Wo arbeitest du denn in London?“
„Ich … ich bin in einer Buchhandlung beschäftigt.“
Dem Blick seiner jadegrünen Augen nach zu urteilen, schien ihn das wirklich zu interessieren. Kein Wunder, denn sie wusste von seinen Büchern – und war ganz begeistert gewesen, als sie das erste in der Hand gehalten hatte, mit seinem Foto auf der Innenseite des Schutzumschlags. Die Bücher waren für Caitlin die Bestätigung gewesen, dass es ihm gut ging. Er war jetzt ein viel bewunderter Autor.
Nach wie vor strich er ihr übers Haar, und ihr Atem ging schneller, während sie ein wohliger Schauer nach dem anderen überlief.
Flynn sollte damit aufhören. Er sollte damit aufhören, be vor ich keine Kraft mehr habe, mich gegen seine Zärtlichkei ten zur Wehr zu setzen.
„Du bist inzwischen ein bekannter Autor. Deine Familie muss wahnsinnig stolz auf dich sein“, zwang sie sich zu sagen, um das gefährliche Terrain zu verlassen.
„Ich glaube nicht, dass sie das ist. Aber ich sehe sie nur noch selten.“ Er ließ von ihrem Haar ab und legte ihr stattdessen zwei Finger unters Kinn.
Caitlin spürte seinen warmen Atem und nahm seinen Duft wahr. Obwohl er vorwiegend nach Seife und Rasierschaum roch, entdeckte sie auch noch die faszinierende Note von schneebedeckter Landschaft und frischer Luft. Flynn war wie seine keltischen Ahnen auf besondere Art mit den Elementen verbunden. Er verehrte die Natur in all ihren Darstellungsformen und genoss es, draußen zu sein – ob er nun einfach nur spazieren ging, ausritt oder die Sonne beim Auf- oder Untergehen beobachtete. Es gab kein Haus, in dem er sich länger als unbedingt notwendig aufhielt. Kein Wunder, dass er die keltische Mythologie zum Thema seiner Bücher gemacht hatte.
„Was tust du so, wenn du nicht schreibst?“, fragte Caitlin, aber er beantwortete ihre Frage nicht, sondern seufzte nur ungeduldig. Und als er den Kopf mit dem schwarzen Haar zu ihr hinunterneigte, spannte sich jeder Muskel in ihr in freudiger Erwartung.
Und dann nahm er sich einfach, wonach es ihn so sehr gelüstete, indem er seine Lippen sanft auf
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