Julia Extra Band 0293
begonnen, ihr gegenüber seinen Schutzschild herunterzulassen – ihr zu vertrauen. Niemals hätte er gedacht, dass sie ihn so abservieren würde.
Jetzt gab es kaum Worte für seine Empfindungen. Ob nun Schock, Unglauben oder Erstaunen, das die Seele erschütterte, nichts kam dem riesigen Gefühlswirrwarr auch nur nahe, das ihn aufwühlte.
„Es tut mir leid.“ Caitlin sprach so leise, dass Flynn sie kaum verstand. Aber das brachte ihn dazu, sich ihr wieder zuzuwenden.
„Es tut dir leid?“, stieß er kopfschüttelnd hervor. „So ein winziger Satz für ein derart großes Vergehen! Ich kann dir nur raten, mich wegen des Kindes nicht zu belügen. Denn wenn das der Fall wäre, wird es dir tatsächlich leidtun!“
„Du brauchst mir nicht zu drohen, Flynn. Warum kommst du jetzt nicht einfach mit mir zu Sorcha? Sie sieht dir ähnlich, weißt du, auch wenn sie meine Haarfarbe geerbt hat.“
„Hast du ihr von mir erzählt?“, fragte Flynn und wusste immer noch nicht, was er von der Sache halten sollte. Der Schmerz, den er bei Dannys Weggang empfunden hatte, machte ihm Angst davor, jemals wieder einem Kind seine Liebe zu schenken. Wäre er überhaupt noch dazu in der Lage? Trotzdem verspürte er auch Vorfreude und Aufregung, obwohl er bitter enttäuscht war, weil Caitlin ihm diese alles verändernde Offenbarung so lange vorenthalten hatte.
„Nein, ich habe ihr nichts von dir erzählt. Ich wusste ja nicht, wie du es aufnehmen würdest. Deshalb hielt ich es für besser, Stillschweigen zu bewahren, bis du zu einer Entscheidung gekommen bist. Ich kann ihr sagen, dass du ein Freund bist, wenn du willst. Das wäre vielleicht das Beste.“
„Für wen?“
„Für Sorcha. Es hat keinen Sinn, ihr zu sagen, dass du ihr Vater bist, wenn du nachher nichts mit ihr zu tun haben willst. Es würde sie nur durcheinanderbringen.“
„Wenn ich tatsächlich ihr Vater bin …“
Caitlin bemerkte das Muskelspiel seiner Wangen.
„… dann will ich auch, dass sie es weiß. Wir sollten ihr nichts vormachen, und ich habe auch genug davon, und zwar für den Rest meines Lebens!“
„Ich verstehe.“ Caitlin hob das schmale Kinn, als wollte sie ihm damit zu verstehen geben, dass sie sich weder von seinen Drohungen noch von seinen Launen einschüchtern lassen würde.
„Ich hole nur meine Jacke. Dann können wir los.“
Er ging zur Tür, und Caitlin nahm rasch ihren Dufflecoat vom Stuhl und eilte Flynn nach.
Als die beiden beim Cottage ankamen, saß Sorcha mit Mary Hogan an einem kleinen Tisch im Wohnzimmer über einem Kinderpuzzle. Der Kontrast zu Flynns Salon hätte größer nicht sein können. Es gab nicht einmal Sessel, nur alte Holzstühle und ein durchgesessenes Sofa. Erneut wurde Caitlin bewusst, wie ärmlich sie und ihr Vater im Vergleich zu seiner Familie gelebt hatten, und es war ihr ein bisschen peinlich, dass Flynn es sah. Doch bestimmt war dessen Aufmerksamkeit auf etwas ganz anderes konzentriert – auf seine Tochter.
Caitlin lächelte Mary Hogan zu, die sich in Gegenwart eines MacCormacs sichtlich unwohl fühlte. Obwohl er unter seinem kurzen Ledermantel nur einen schwarzen Pullover und Jeans trug, hob er sich mit der Qualität der Kleidung und seinem gepflegten Äußeren deutlich von den meisten männlichen Dorfbewohnern ab. Dazu brauchte man nicht einmal zu wissen, dass seiner Familie praktisch alles gehörte, was in der Gegend von Wert war. Es gab sogar einen Berg, den man nach den MacCormacs benannt hatte!
„Hi, Mary, wie du siehst, habe ich einen Besucher mitgebracht. Das ist Flynn MacCormac. Flynn, das ist die Nachbarin meines Vaters, Mary Hogan.“
Flynn schüttelte der älteren Frau höflich die Hand, aber sein Blick wanderte fast augenblicklich von ihr zu dem Kind mit dem elfenhaften Gesicht, das ihn neugierig musterte. „Und du bist bestimmt Sorcha.“
Caitlin wusste, dass sie sich den gerührten Unterton in seiner Stimme nicht nur einbildete. Ob Mary es auch mitbekommen hatte? Was sie wohl darüber dachte? Glücklicherweise gehörte die freundliche Nachbarin nicht zu den Klatschtanten im Dorf. Deshalb atmete Caitlin erst einmal beruhigt durch, ehe sie sich an ihre Tochter wandte. „Sorcha, Darling, sag hallo zu Flynn.“
„Hallo“, antwortete das Mädchen und schob seine kleine Hand sicherheitshalber in die seiner Mutter.
„Alles in Ordnung, Schatz.“ Caitlin strich ihrer Tochter zärtlich übers seidige Haar. Um die angespannte Atmosphäre aufzulockern, scherzte sie dann: „Er sieht
Weitere Kostenlose Bücher