Julia Extra Band 0293
mich ist? Nicht nur, dass ich hier in deinem Haus wohne, sondern auch, dass ich hier mit dir zusammen bin und weiß, dass du mich hassen musst für das, was ich getan habe. Wie können wir für Sorcha eine angenehme Atmosphäre schaffen, wenn du nicht einmal zulässt, dass wir Freunde sind?“
Einen Augenblick schloss er die Augen. „Ich bin nicht dein Feind, Caitlin“, sagte er dann ein wenig zögernd, „und ich möchte, dass du dich in meinem Haus willkommen fühlst. Aber im Augenblick müssen wir Sorchas Bedürfnisse und Gefühle vor unsere eigenen stellen, damit sie sich hier besser eingewöhnt. Danach … Nun, ich bin kein Hellseher.“
Er nahm ihre Koffer und ging damit ins angrenzende Vestibül. Dann öffnete er eine Tür, die – wie Caitlin noch von ihren früheren Besuchen wusste – in ein großzügiges Gästezimmer führte. Obwohl sie sich vorgenommen hatte, stark zu sein, überwältigten sie die Gefühle, und in ihren Augen standen Tränen. Flynn wollte sie offenbar auf Abstand halten, indem er kühl und unzugänglich blieb und ihr kein bisschen entgegenkam. Das tat unheimlich weh.
Doch als Flynn in den Salon zurückkehrte, war ihr die Traurigkeit nicht mehr anzusehen. Den Dufflecoat hatte sie abgelegt und sich geschworen, das Beste aus der Situation zu machen. Das schuldete sie zumindest ihrer Tochter.
„Wenigstens ist es etwas wärmer geworden.“ Nur kurz sah sie zum großen Balkonfenster und bekam den beeindruckenden Ausblick kaum mit, so beschäftigt war sie damit, unverfängliche Worte zu finden, um die angespannte Atmosphäre aufzulockern.
„Hm“, machte Flynn, der offensichtlich keine Lust hatte, übers Wetter zu sprechen. „Ich wollte dir eigentlich sagen …“, fuhr er fort, doch dann klopfte es an der Tür. Mit wenigen Schritten durchmaß er den Raum, um sie zu öffnen. „Bridie“, begrüßte er dann die füllige Frau mittleren Alters, die davorstand und eine bunte Schürze trug. „Kommen Sie herein. Ich möchte Ihnen Caitlin vorstellen … und hier irgendwo spaziert auch noch Sorcha herum. Ich bin sicher, sie wird in ein, zwei Minuten wieder bei uns sein. Caitlin, das ist Bridie Molloy, die Haushälterin von Oak Grove.“
„Freut mich, Sie kennenzulernen, Mrs. Molloy.“
„Nennen Sie mich Bridie, bitte.“ Caitlins Händedruck wurde warm erwidert. Außerdem sah die Frau sie aufrichtig freundlich an, sodass sich Caitlin schon ein bisschen mehr wie zu Hause fühlte. Die frühere Haushälterin Peg Donovan war wesentlich formeller gewesen, und Caitlin hatte immer einen großen Bogen um sie gemacht. Flynn hatte sie damals deswegen aufgezogen.
„Ich habe das von Ihrem Vater gehört“, sagte Bridie nun. „Tut mir leid für Sie, meine Liebe. Schlimm, wenn man nach Hause kommen muss, um einen Elternteil zu begraben.“
„Ja, das ist es.“
„Mummy! Hier ist es so groß wie in einem Palast! Als ob hier ein König oder eine Königin wohnt.“ Sorcha kam ins Zimmer gestürmt, wobei ihr goldfarbenes Haar einen Heiligenschein um ihren Kopf zu bilden schien und ihre Bäckchen vor Aufregung glühten. Doch als sie Bridie erspähte, blieb sie schüchtern neben Caitlin stehen.
„Na, wer ist denn diese hübsche junge Dame?“, fragte die Haushälterin lächelnd. „Wenn das hier ein Palast ist, musst du wohl eine Prinzessin sein. Was meinen Sie, Mr. MacCormac?“
„Ja, das ist sie bestimmt.“ Als Flynn seine Tochter anlächelte, war es, als ginge die Sonne auf, und Caitlins Herz tat einen Sprung.
„Sorcha, komm und sag hallo zu Bridie.“
„Hallo.“ Sorcha streckte der Haushälterin feierlich die kleine Hand entgegen.
Die Frau ging in die Hocke, sodass sie mit der Kleinen auf Augenhöhe war, und schüttelte ihr ehrlich erfreut die Hand. „Okay, du bist also tatsächlich eine Prinzessin? Ich fühle mich geehrt, meine Teuerste! Was meinst du, sollte ich Eurer Hoheit jetzt mal eine königliche Führung durchs ganze Haus geben?“ Mit einem verschwörerischen Lächeln sah sie zu Flynn und Caitlin hoch. „Und wenn wir an der Küche vorbeikommen, sind da womöglich gerade die Feenküchlein fertig. Möchte Eure Hoheit vielleicht ein Stück Kuchen und ein Glas Limonade?“
„Au ja!“Von einem Bein aufs andere hüpfend, hatte Sorcha eindeutig keine Probleme, mit der Haushälterin mitzugehen.
„Sei ein braves Mädchen!“ Caitlin drückte ihrer Tochter noch einen Kuss aufs Haar und sah ihr mit gemischten Gefühlen nach. Sie war nicht darauf gefasst gewesen, dass sie nun erneut
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