Julia Extra Band 0293
mit Flynn allein sein würde. „Die neue Haushälterin scheint nett zu sein“, bemerkte sie dann, als sich die Tür hinter den beiden schloss.
„Nach der sauertöpfischen Peg Donovan ist sie wie ein frischer Windhauch!“
„Was ist mit Mrs. Donovan geschehen? Ist … ist sie gestorben?“
„Nein.“ Für einen kurzen Augenblick wirkte Flynn belustigt. „Du wirst es nicht glauben, aber sie hat sich in einen Totengräber verliebt, der hier mit seiner Schwester Urlaub gemacht hat. Mrs. Donovan hat ihn geheiratet und wohnt jetzt in Dublin. Wir waren alle äußerst erstaunt, als es passiert ist. Der Kerl muss Nerven wie Drahtseile haben, um sie zu ertragen. Aber zweifellos hat er in seiner beruflichen Karriere schon viele gruselige Sachen erlebt.“
Obwohl der Scherz ein wenig unter die Gürtellinie ging, musste Caitlin lachen. Dass Flynn ihr die seltsame Geschichte von seiner alten Haushälterin erzählt hatte, trug dazu bei, dass sie begann, so etwas wie Freude über ihren Aufenthalt auf Oak Grove zu empfinden. Sie hörten beide gleichzeitig auf zu lachen, und kurz darauf war die Atmosphäre wie elektrisiert. Caitlin überlief es wohlig, und sie strich sich nervös eine Strähne hinters Ohr. „Du wolltest mir etwas erzählen, bevor Bridie an die Tür geklopft hat.“
Flynn musste sich erst einmal von ihrem faszinierenden Anblick losreißen – sie war so schön, wenn sie sich entspannte. Bedächtig rieb er sich das Kinn. „Ich habe darüber nachgedacht, was du über deine Unabhängigkeit gesagt hast. Und du hast recht, hier in der Gegend gibt es kaum Jobs. Da habe ich mich gefragt, ob du dir vorstellen könntest, mir hin und wieder bei meinem Papierkram zu helfen? Ich würde dich bezahlen. Und vielleicht hilft dir die Arbeit, deine Bedenken, ich könnte dein Leben in die Hand nehmen, loszuwerden. Was meinst du?“
Jetzt war es an Caitlin, äußerst erstaunt zu sein. Dass Flynn ihr in dieser Hinsicht die Hand reichen wollte, hatte sie nicht erwartet. „Ist das dein Ernst?“
„Natürlich.“ Er gestattete sich ein wehmütiges Lächeln, und Caitlins Herz tat einen Satz. „Du brauchst dir nur einmal die Stapel unbeantworteter Briefe auf meinem Schreibtisch anzusehen, dann weißt du, dass ich dringend Hilfe nötig habe.“
„Wann soll ich anfangen? Und wer kümmert sich in der Zwischenzeit um Sorcha?“
„Nimm dir erst einmal ein paar Tage Zeit, um dich einzugewöhnen. Und wegen Sorcha spreche ich mit Bridie. Ich schätze mal, sie passt gern auf unsere Tochter auf.“
„Schön, dann nehme ich dein Angebot an. Vielen Dank.“
7. KAPITEL
Es war spät am Abend, und Flynn saß immer noch am Schreibtisch. Seit Sorcha und Caitlin bei ihm eingezogen waren, konnte er sich schlecht konzentrieren, und am Ende des Monats hatte er Abgabetermin für sein neuestes Buch.
Im Augenblick interessierten ihn die Pläne keltischer Stammesführer zur Verstärkung ihrer Festungen allerdings herzlich wenig. Das lag daran, dass er nicht mehr allein in dem riesigen Haus war. Caitlin und Sorcha wohnten zwar erst seit zwei Tagen bei ihm, doch bereits jetzt hatten sie sein gewohntes Leben völlig auf den Kopf gestellt. Ständig wurde er vom Lachen seiner Tochter abgelenkt oder von der ruhigen Stimme ihrer Mutter, die auf ihre Fragen antwortete. Selbst die dicken Eichentüren von Oak Grove konnten diese Laute nicht komplett abhalten, zumal Flynn regelrecht darauf lauschte. Außerdem gesellte er sich über den Tag hinweg immer mal wieder zu Sorcha.
Nach dem Abendessen nahm er sich dann richtig Zeit für sie, um mit ihr zu spielen oder ihr eine Gutenachtgeschichte vorzulesen. Dabei versuchte er, nicht zu oft daran zu denken, welche Hoffnungen auf eine glückliche Zukunft er sich damals auch bei Danny gemacht hatte. Auf jeden Fall freute er sich inzwischen auf jeden Moment, den er mit seiner Tochter verbringen konnte.
Die größte Prüfung stand ihm allerdings bevor, sobald Sorcha im Bett war. Auch wenn er sich bisher jedes Mal dafür entschieden hatte, ins Arbeitszimmer zurückzukehren, um bis nach Mitternacht zu schreiben, wusste er doch, dass Caitlin es sich im Ohrensessel am Feuer gemütlich gemacht hatte – die Nase in ein Buch gesteckt, die Füße bloß und das feine blonde Haar offen. Wie gern wäre er zu ihr gegangen …
Unwillkürlich spannten sich jetzt seine Muskeln, und er rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her. Aber er wagte nicht, allein im selben Zimmer mit ihr zu sein. Warum eigentlich nicht? Blöde Frage!
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