Julia Extra Band 0293
so heftig, dass sie es in ihren Ohren pochen hörte.
„Ich habe dir erzählt, dass ich schon einmal verheiratet war, und dass ich mich am Ende von der Frau habe scheiden lassen. Nun … sie hat ein Kind bekommen. Einen kleinen Jungen, Danny. Sie hat mich glauben lassen, es sei mein Sohn. Doch sechs Monate nach seiner Geburt hat sie mir erzählt, sie hätte schon länger eine Affäre, und Danny wäre von dem anderen.“
Unablässig fuhr sich Flynn durchs dichte Haar, aber den Blick hielt er unbeirrt auf Caitlin gerichtet. „Sie ließ einen Vaterschaftstest machen, um es zu beweisen. Ihr Liebhaber hat darauf bestanden, und weil sie ihn liebte und nicht mich, war sie einverstanden. Daraufhin stellte ihr der Mann ein Ultimatum und sagte, sie solle zwischen uns wählen. Nun, sie hat ihn gewählt und Danny mitgenommen. Das war’s.“
Flynn hatte sich abgewandt und stützte sich nun am marmornen Kaminsims ab.
Betroffen blieb Cailtin, wo sie war. Einerseits war sie zu schockiert, andererseits hatte sie den Eindruck, jetzt ein bisschen Abstand zu brauchen. Gebannt starrte sie auf Flynns Profil und sah, dass er weit entfernt und tief bewegt war.
„Aber das ist noch nicht das Ende der Geschichte, nicht wahr, Flynn?“, fragte sie schließlich leise. „Dir geht immer noch zu Herzen, was damals passiert ist, und du vermisst deinen Sohn. Ach, wenn du mir das nur schon erzählt hättest, als wir noch zusammen waren!“
„Damit du dann aus Mitleid bei mir geblieben wärst?“ Er warf ihr einen abfälligen Blick zu. „Nein, danke.“
„Das hätte nichts mit Mitleid zu tun gehabt, Flynn. Obwohl es nur menschlich ist, dir deinen Schmerz um Danny nachzufühlen. Aber es wäre darum gegangen, Nähe und Vertrauen zuzulassen. Und du hättest wissen sollen, dass deine Geheimnisse bei mir gut aufgehoben sind.“
„Vielleicht, aber was mir da damals passiert ist, verarbeitet man nicht in fünf Minuten! Und dann hast auch du mich verlassen …“ Er biss die Zähne zusammen und wandte sich zur Tür. „Ich lasse dich jetzt mal in Ruhe dein Buch weiterlesen. Gute Nacht, Caitlin, bis morgen früh.“
Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, ihm zu folgen. Nicht jetzt, da er sich zurückziehen und seine Wunden lecken wollte. Aber was er ihr erzählt hatte, gab ihr mehr als nur einen kleinen Hinweis darauf, warum er so zurückhaltend und in sich gekehrt war, und tief im Herzen wusste sie, dass damit das Eis gebrochen war.
Doch an Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken. Deshalb beschloss sie, noch aufzubleiben und weiterzulesen. Aber mit den Gedanken war sie nicht bei den alten keltischen Sagen, sondern bei Flynn und dem kleinen Jungen, den er so geliebt hatte und der ihm von seiner Exfrau entrissen worden war …
Gab es nach dieser schmerzlichen Erfahrung überhaupt noch Platz in seinem geschundenen Herzen für Sorcha und sie?
8. KAPITEL
„Ich habe da über etwas nachgedacht“, verkündete Flynn am nächsten Morgen, als sie im Esszimmer frühstückten.
„Kann ich jetzt runtergehen, Mummy?“, unterbrach ihn Sorcha, die unbedingt wieder zu dem Spielzeug wollte, das Bridie ihr von ihrer inzwischen erwachsenen Tochter mitgebracht hatte.
Caitlin wischte mit einer Leinenserviette etwas Erdbeermarmelade von Sorchas rosigem Kindermund und nickte. „In Ordnung, aber vorher soll dir Bridie die Zähne putzen. Und denk daran: Ich komme später nachsehen!“
„Ja, Mummy“, antwortete Sorcha. Doch an ihrem Blick war zu erkennen, dass sie keine große Lust hatte, etwas so Überflüssiges zu machen wie Zähneputzen.
Flynn musste unwillkürlich lächeln, erklärte dann aber: „Du tust besser, was deine Mutter sagt.“ Dabei fuhr er seiner Tochter übers blonde Haar. „Du willst doch nicht enden wie die zahnlose, alte Hexe in dem Märchen, das ich dir gestern Abend vorgelesen habe?“
Sorcha war von ihrem Stuhl gerutscht und baute sich nun vor Flynn auf. Dabei sah sie ihn scheinbar beleidigt an. „Ich werde keine alte Hexe! Ich bin eine Prinzessin, und eine Prinzessin ist immer jung und hübsch! Weißt du das denn nicht, Daddy!“ Und damit hüpfte sie davon und wusste gar nicht, dass sie Flynn völlig überrascht zurückließ.
Caitlin lächelte kopfschüttelnd. Natürlich hatte sie mitbekommen, dass ihre Tochter Flynn mit „Daddy“ angesprochen hatte. Dabei dachte sie an das Geheimnis, das er ihr vergangene Nacht offenbart hatte, und dass er kein Mitgefühl wollte. Hoffentlich machte ihr Lächeln nicht zu deutlich, wie sehr sie
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