Julia Extra Band 0293
seinem Mund zu hören.
„Ich will mich bei dir entschuldigen“, sprach er weiter.
„Wofür?“ Sein plötzlicher Sinneswandel traf sie unvorbereitet. In der tiefen Dämmerung erkannte sie seinen Gesichtsausdruck nicht mehr, nur noch den leuchtenden Ausdruck in seinen Augen.
„Ich habe dich ausgenutzt“, seufzte er, „und das hätte ich nicht tun dürfen.“
„Das klingt so gar nicht nach dir“, sagte sie ratlos.
„Aber ich bin doch kein Monster, oder etwa doch?“
„Manchmal frage ich mich das ernsthaft.“
„Kann dir wohl niemand verdenken“, brummte er. „Ich habe dich in diese ganze Sache hineingezogen, ohne dir wirklich eine Wahl zu lassen.“
„Erzähl mir nicht, das würde dir ehrlich leidtun.“
Julian schwieg für mehrere Minuten. „Nein“, gestand er schließlich rau. „Eigentlich nicht.“ Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht und streichelte ihr dann zärtlich über die Wange.
Energisch versuchte Susan, unter seiner Berührung nicht zu erzittern. Sich nicht an ihn zu lehnen und ihm damit zu zeigen, wie sehr sie ihn begehrte. Er wusste es ohnehin – und sein Ego war schon genug bestätigt worden.
Plötzlich ließ er seine Hand fallen. „Jedenfalls wollte ich dir nur mitteilen, dass ich aufhören werde.“
„Womit genau?“, wunderte sie sich laut.
„Ich werde nicht weiter versuchen, dich ins Bett zu locken.“ Er lachte trocken auf. „Natürlich will ich mit dir schlafen, aber ich werde diesem Wunsch nicht nachgeben. Mir ist klar, dass du mehr von mir erwartest, dass du mehr von mir brauchst.“ Seine Gesichtszüge wurden unendlich weich, bevor er weitersprach. „Ich weiß nur nicht, ob ich es dir geben kann.“
Mit dieser Ansprache hatte Susan ganz und gar nicht gerechnet. Seit wann machte er sich ernsthafte Gedanken um ihr Seelenheil? „Danke für deine Ehrlichkeit“, sagte sie zögernd.
Gemeinsam kehrten sie in ihre Urlaubssuite zurück, und wieder einmal fragte Susan sich, wer der Mann hinter der Fassade war. Was meinte er wirklich ernst?
„Erzähl mir ein bisschen von dir“, forderte er sie beim Essen auf.
Verwundert sah sie hoch. „Interessiert dich das wirklich?“
„Aber ja. Immerhin arbeite ich schon zwei Jahre mit dir zusammen. Ich sollte ein wenig mehr über dich wissen.“
Sie beschlich das untrügliche Gefühl, Julian würde mit ihr spielen. Trotzdem konnte sie sich nicht gegen den Hoffnungsschimmer wehren, der in ihr aufkeimte.
„Ich dachte schon, es gehört zu deiner Unternehmenspolitik, eben nichts über deine Angestellten zu wissen“, sagte sie tonlos. „Außerdem gibt es nicht viel über mich zu berichten. Meinen Lebenslauf kennst du ja bereits. Und bisher wurde mein Alltag nur von meiner Arbeit und den Belangen meiner kleinen Schwester bestimmt. Ende der Geschichte.“
„Was ist mit deinen Eltern?“
„Sie starben vor zehn Jahren bei einem Autounfall, wie du bestimmt weißt.“
„Damals warst du achtzehn“, überlegte er laut, und Susan nickte.
„Ja, und Dani war acht.“
Gedankenverloren kaute er auf einem Bissen herum. „Wie hast du diese Situation bewältigt?“
Allmählich nahm sie ihm sein Interesse ab. „Ich habe eine Schule für Sekretärinnen besucht und danach in dem Architektenbüro Simon und Lester gearbeitet. Anschließend kam ich zu dir.“
„Haben dir deine Eltern denn kein Geld hinterlassen?“
„Wenig. Es reichte gerade für die Sekretärinnenschule und die Hypothek. Danach musste ich arbeiten.“
„Das muss hart gewesen sein“, bemerkte er. „Vor allem, alles allein zu schaffen.“
Unwillkürlich füllten sich ihre Augen mit Tränen. Warum nur war Julian auf einmal derart verständnisvoll? Das traf Susan mitten ins Herz, ob sie wollte oder nicht. „War es“, bestätigte sie erstickt.
„Hattest du ursprünglich vor zu studieren?“, wollte er wissen. „Mit achtzehn hattest du bestimmt schon einen Studienplatz, den du aufgeben musstest.“
Susans Gabel blieb auf halbem Weg zum Mund in der Luft hängen. Woher wusste er das nur? „Ja, ich wollte tatsächlich studieren.“
„Und welches Fach?“
„Grafikdesign.“
Er nickte, und für ein paar Minuten herrschte Stille zwischen ihnen. Das Gespräch hatte für Susan bedrückende Erinnerungen wachgerufen, verschüttete Träume, über die sie lange nicht mehr nachgedacht hatte.
„Es gab wohl auch keine Verwandten, die aushelfen konnten?“, vermutete Julian. „Da warst nur du.“
„Ich und Dani“, korrigierte sie automatisch.
„Aber jetzt
Weitere Kostenlose Bücher