Julia Extra Band 0293
für immer gefühlstaub stellen könnte …
Sehr viel später betrat auch Julian das Schlafzimmer. „Du musst aufstehen“, sagte er geradeheraus. „Heute Abend gibt es Dinner und Tanz am Strand. Eine Art Abschiedsfeier.“
„Hast du den Auftrag in der Tasche?“, fragte sie tonlos.
„Ich denke schon.“ Lachend zog er sich ein frisches Hemd an. „Dann war es das alles wert.“
Es dauerte eine Weile, bis seine achtlosen Worte zu ihr durchdrangen. Ganz langsam setzte Susan sich auf und starrte Julian an. „ Dann war es das alles wert?“
Ohne Vorwarnung brach Susan in hysterisches Gelächter aus. Sie krümmte sich vor Lachen, bis sie Magenschmerzen bekam und ihr dicke Tränen über das Gesicht rollten. Dann lachte sie nicht mehr, sie weinte.
Sie schluchzte so heftig wie nie zuvor im Leben, und ihr war gleichgültig, dass ihre Nase lief und ihre Augen rot anschwollen.
Susan wusste nicht einmal genau, warum sie weinte. Wegen Julian, wegen ihres eigenen trostlosen Lebens, wegen Danis Schwierigkeiten oder wegen der letzten zehn Jahre, die für Susan anstrengend und nervenaufreibend gewesen waren. Sie ließ einfach allen Gefühlen freien Lauf, die sie so lange unter Verschluss gehalten hatte.
Julian betrachtete sie mit regungsloser Miene. Er wirkte beinahe gelangweilt. „Bist der fertig?“, erkundigte er sich schließlich, nachdem ihr Schluchzen allmählich abebbte. „Du hast eine halbe Stunde, bevor wir uns treffen.“
Ohne sich weiter um sie zu kümmern verschwand er im Badezimmer.
„Nur keine Sorge“, murmelte Susan etwas bissig. „Ich bin fix und fertig!“
Sie sah wesentlich besser aus, als sie sich fühlte. Das silberne Abendkleid saß wie angegossen und schwang lautlos um ihre langen Beine. Susans schulterlanges, seidiges Haar reflektierte das Mondlicht, nur ihr hübsches Gesicht wirkte leicht getrübt.
Neben ihr glänzte Julian in einem eleganten Smoking, und das gestärkte weiße Hemd ließ ihn noch tiefer gebräunt wirken als sonst. Seine Augen glitzerten in der Dunkelheit wie Edelsteine.
Er hielt Susan seinen Arm hin, und sie hakte sich automatisch bei ihm ein. Schon die ganze Zeit über fühlte sie sich wie eine leblose Puppe.
Bald ist es vorbei, sagte sie sich unaufhörlich.
Der Strand war in eine Kulisse verwandelt worden, die aus einem Märchen hätte stammen können. Weiß gedeckte Tische wurden von Kerzenlicht erhellt, und in den Palmen waren Lampions befestigt worden. Überall steckten Fackeln im Boden, um die Wege zu beleuchten, und von einem hölzernen Podium her erklang karibische Musik.
Im Hintergrund hörte man das regelmäßige Plätschern des Ozeans, der sein klares Wasser in seichten Wellen an den Sandstrand spülte. Die anderen Gäste waren bereits versammelt, auch einige Insulaner und Angestellte, die Susan bisher nicht kennengelernt hatte.
Lara trug ein enges, kleines Schwarzes, das man mit Mühe grad noch als stilvoll bezeichnen konnte. Wendy wirkte dagegen in ihrem weiten Flatterkleid, das den runden Bauch kaum verbarg, schwerfällig und extrem unsicher. Dan hatte beschützend einen Arm um seine Frau gelegt, und Susan wurde bei diesem Anblick die Kehle eng.
Sie schluckte. Schon das ganze Wochenende plagte Wendy sich mit Schwindelanfällen und der tropischen Hitze herum. Dan war fast ununterbrochen an ihrer Seite und unterstützte sie, wo er nur konnte. Beneidenswert …
Julian, der ebenfalls seinen Arm um seine vermeintliche Ehefrau gelegt hatte, schien ihre Anspannung zu spüren. „Was hast du?“
Doch sie schüttelte nur stumm den Kopf, ohne ihn anzusehen.
„Susan, wie schön, dass Sie sich zu uns gesellen.“ Jan trat vor und küsste sie auf beide Wangen. „Hilda erzählte mir vorhin, Sie fühlen sich nicht so gut?“, sagte er leise. „Aber das scheinen Sie überwunden zu haben. Sie sehen absolut fabelhaft aus.“
Sie rang sich ein Lächeln ab. „Ich denke, die viele Sonne gestern hat mich etwas mitgenommen.“
Freundlich drückte er ihre Hand. „Schön, schön. Das freut mich, meine Liebe. Ich freue mich für euch beide.“ Er warf einen Blick zu Julian hinüber, der sich an der Bar einen Drink geben ließ. „Ich war heute Morgen tief beeindruckt von der Arbeit Ihres Gatten, trotz seines kleinen Patzers. Wissen Sie, er sagte mir später, es sei die Sorge um Sie, die ihn aus dem Konzept gebracht hatte. Das hat mich sehr gerührt.“
Sein Lächeln war freundlich und bei weitem zu verständnisvoll.
Während Susan kein Wort über die Lippen
Weitere Kostenlose Bücher