Julia Extra Band 0293
brachte, hatte Julian keinerlei Probleme, seine Rolle als hingebungsvoller Ehemann zu spielen. Galant kam er auf sie zugetänzelt und reichte Susan einen bunten Fruchtcocktail. „Bitte schön, mein Schatz.“
„Julian, Ihre Frau sieht heute atemberaubend aus“, lobte Jan. „Ich habe ihr gerade ein Kompliment gemacht.“
„Ja, das tut sie wirklich.“ Lachend zog er sie an seine Seite und strich mit den Fingern über ihren Unterarm.
Zu ihrer Schande musste Susan sich eingestehen, dass diese Berührung sofort wieder ihre Leidenschaft entfachte. Leider war auch Jan ihre Reaktion nicht entgangen.
„So verliebt“, seufzte er. „Das ist etwas Wunderschönes.“
„Entschuldigen Sie mich bitte“, presste Susan hervor. Ihre Geduld war am Ende – sie musste jetzt unbedingt einen Moment allein sein.
Kurze Zeit später gesellte sich Julian zu Susan an den kleinen Tisch, an den sie sich zurückgezogen hatte. „Das war knapp“, brummte er leicht unbeholfen.
Offenbar war ihm klar, dass er den Bogen allmählich überspannte, doch andererseits schien er nicht aus seiner Haut zu können.
„Ist mir egal.“
„Das sollte es aber nicht sein“, zischte er. „Ist dir nicht klar, was das für uns beide bedeutet, wenn wir auffliegen?“
„Doch, aber es interessiert mich nicht mehr.“
„Was ist mit deiner Schwester?“
„Begreifst du nicht, was ich sage?“, erwiderte sie gereizt. „Mit Absicht lasse ich deinen hübschen kleinen Betrug sicherlich nicht auffliegen, aber pass trotzdem lieber auf, dass du nicht bewusst eine Katastrophe provozierst! Denn all die Konsequenzen einer Enttarnung sind mir inzwischen schnuppe. Sie stehen in keinem Verhältnis dazu, wie es mir in dieser Situation geht. Also sieh dich vor!“
„Schön“, gab er patzig zurück. „Hauptsache du hältst dich an unsere Absprache!“
8. KAPITEL
Es regnete in Strömen, als das Flugzeug in Edinburgh landete. Niedergeschlagen starrte Susan in die Dunkelheit hinaus und fand, dass die Wetterlage ihre eigene Stimmung hervorragend unterstrich: grau, düster, bleiern.
Wenigstens lag das unglückselige Rollenspiel endlich hinter ihr. Dieser Gedanke sollte sie eigentlich trösten, stattdessen fühlte sie sich so deprimiert wie nie zuvor.
Während des Fluges hatten sie und Julian kaum ein Wort miteinander gesprochen. Wozu auch? Jetzt war es ja nicht mehr nötig, das glückliche Ehepaar vorzuspielen. Die meiste Zeit über vergrub er sich in seine Arbeit, und Susan vermutete, dass er bereits das Luxusresort für Jan in allen Einzelheiten entwarf.
Sie selbst würde nun in ihr normales Leben zurückkehren, in dem eigentlich nichts mehr wirklich normal war – es niemals wieder sein konnte.
„Ich werde von einem Wagen abgeholt“, verkündete Julian irgendwann, ohne sie anzusehen. „Wenn du willst, kannst du mitfahren.“
Susan nahm das Angebot an, und eine ganze Zeit später, kurz nach Mitternacht, hielt die Limousine vor ihrem Elternhaus. Dani, die einen Tag vorher angekommen sein musste, schlief vermutlich schon.
„Nimm dir morgen frei“, sagte Julian. „Ich lasse dir im Büro eine To-Do-Liste mit den wichtigsten Terminen liegen, denn ich selbst werde die nächsten Wochen über in London sein.“
„Ach ja?“ Enttäuschung und Erleichterung überfielen Susan gleichermaßen. Dabei war es keinesfalls ungewöhnlich für Julian, sich für mehrere Wochen abzumelden. „Gut, dann weiß ich Bescheid.“
Sie wartete ab, ob er noch etwas sagen würde. Insgeheim hoffte sie sogar auf eine Entschuldigung, auf ein paar versöhnliche Worte nach ihrem enttäuschenden Abenteuerwochenende, aber es kam nichts. Julian sah sie nur mit einem leichten Stirnrunzeln an, sein Mund war allerdings zu einer harten Linie verzogen. Er nickte kurz, so als wollte er Susan damit bedeuten, ihn endlich allein zu lassen.
Entschlossen stieg sie aus dem Wagen. „Auf Wiedersehen.“ Sie knallte die Autotür etwas lauter zu als nötig und schloss kurz darauf ihre Haustür auf, ohne sich auch nur einmal umzusehen.
Sobald sie den Flur betreten hatte, wusste sie, dass Dani zu Hause war. Überall lagen Klamotten herum, und in der Spüle stapelte sich das schmutzige Geschirr.
Susan musste bei diesem Anblick lächeln. Danis Rückkehr brachte zwar neue Schwierigkeiten mit sich, aber in erster Linie war Susan heilfroh, nicht mehr allein zu sein.
Weil sie noch nicht müde war, setzte sie sich einen Kessel mit Teewasser auf und schlüpfte in bequemere Kleidung. Den Reisekoffer
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