Julia Extra Band 0293
nach Chicago?“, erkundigte sie sich.
„Nein. Alle meine Angehörigen leben jetzt in Michigan. Es gibt keinen Grund mehr für mich, Chicago zu besuchen.“
„Ach so? Aber du hast doch Kunden dort, wie ich von deiner Webseite weiß.“
„Und ich habe Angestellte, die sich um die Belange meiner Kunden kümmern. In Chicago war ich nicht mehr seit …“ Er räusperte sich. „Seit Jahren.“
„Vielleicht ändert sich das ja“, sagte sie so leise, dass es kaum hörbar war, vor allem weil der Kies des Parkplatzes, auf den sie gerade einbogen, unter den Reifen knirschte.
Ethan hatte sie offensichtlich trotzdem gehört, denn in seiner Wange zuckte ein Nerv. Er schaltete den Motor aus, aber sie blieben noch im Wagen sitzen.
„Ja, vielleicht komme ich mal wieder nach Chicago“, meinte er schließlich.
Nun stiegen sie aus und gingen zur Anlegestelle. Ethan trug einen kleinen Rucksack mit Proviant für die Wanderung. Die Bootsfahrt würde anderthalb Stunden dauern. Glücklicherweise gab es bei diesem schönen Wetter keine unruhigen Wellen.
„Schade, dass wir nicht fliegen können“, meinte Claire trotzdem. „Dein Freund sollte den Pilotenschein machen.“
„Den hat er, dazu auch eine Cessna, aber auf der Insel gibt es keine Landebahn. Gott sei Dank“, fügte er nachdrücklich hinzu. „Ich fliege nur, wenn es unbedingt nötig ist. Ansonsten fahre ich lieber mit dem Auto. Da sieht man mehr von der Landschaft.“
„Wenn man radelt, sogar noch mehr.“
„Ich muss zugeben, es hat mich überrascht, dass du mit dem Radfahren angefangen hast. Das soll keine Kritik sein, Claire, aber du warst doch nie sehr sportlich, stimmt’s?“
„Es stimmt“, gab sie gelassen zu.
Trotzdem war sie schon immer schlank, erinnerte sich Ethan, und ihre Haut seidenweich. Obwohl er es nicht wollte, dachte er daran, wie Claire gebebt und geseufzt hatte, als er zum ersten Mal seine rauen, schwieligen Hände über ihre nackten Hüften hatte gleiten lassen.
Mühsam kam er aufs eigentliche Thema zurück. „Was hat dich denn zum Radfahren gebracht? Eine Schwäche für Männer in eng anliegenden Hosen?“
„Wer hat die nicht?“, fragte sie scherzhaft zurück.
„Nein, im Ernst, Claire.“
Sie seufzte leise. „Das ist eine lange Geschichte.“
„Die Bootsfahrt dauert anderthalb Stunden. Du kannst mir die Zeit mit deiner Geschichte vertreiben“, schlug er vor.
„Sie ist aber nicht sehr unterhaltsam“, wandte sie ein.
„Das lass mich beurteilen, wenn ich sie gehört habe.“ Sanft strich er ihr kurz über die Wange.
Das Boot hatte eine Kabine für die Passagiere, aber Claire ging nach vorn zum Bug. Hier auf dem Wasser blies der Wind stärker und war kälter, aber das schien sie nicht zu stören. Ethan folgte ihr.
„Beklag dich aber nicht, falls ich dich mit meiner Geschichte langweile“, verlangte sie.
„Nie und nimmer!“
Als das Boot ablegte, stützte sie die Ellbogen auf die Reling. Der Wind zerzauste ihr kurzes Haar, ihre Wangen waren von der frischen Luft rosig angehaucht. Sie sah gesund und fit aus, selbstbewusst … und unglaublich sexy.
Viel zu sexy.
Wieso habe ich sie gebeten, noch zu bleiben, fragte Ethan sich besorgt. Was versprach er sich davon, die Bekanntschaft mit seiner Exfrau zu erneuern?
„Es lag an einem Zeitschriftenartikel“, sagte Claire ohne Einleitung. „Er war der Grund dafür, dass ich mir ein Fahrrad gekauft … und angefangen habe, es zu benutzen.“
„Das muss ja ein überzeugender Artikel gewesen sein“, kommentierte Ethan. „Ging es um Fitness allgemein, oder wurde behauptet, Radfahren garantiere ewige Jugend?“
„Wenn das wahr wäre, würde jede Frau ihre Antifaltencreme gegen ein Rad tauschen!“ Claire lachte. „Aber darum ging es nicht, sondern um ein groß angelegtes Wohltätigkeitsprojekt: eine vierhundert Kilometer lange Radtour durch den Himalaya, mit der entsprechenden Publicity, um auf die schreckliche Situation von Straßenkindern in aller Welt aufmerksam zu machen und natürlich gleichzeitig Spenden zu sammeln.“
„Und du hast was gemacht?“, fragte er, tief beeindruckt. „Dich einfach zur Teilnahme angemeldet?“
Das hätte er ihr gar nicht zugetraut, obwohl er doch aus erster Hand wusste, wie impulsiv sie sein konnte.
Sie schüttelte den Kopf. „Zuerst habe ich nur eine Spende geschickt, die die Firma Mayfield noch verdoppelt hat.“
„Was man ja von der Steuer abschreiben kann“, meinte Ethan, seltsam enttäuscht.
„Richtig. Mein Vater
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