Julia Extra Band 0294
Tatsachen zurück.
Lily stellte das Champagnerglas mit einem Klirren auf den Tisch. „Mir ist nicht nach feiern zumute. Alles basiert auf einer Lüge.“
„Einer Notlüge, um einer kranken älteren Dame eine Freude zu bereiten“, erinnerte er sie. „Vielleicht interessiert es Sie, dass eine gewisse Kate Johnson Ende des Monats ihre Arbeit bei Life Begins aufnimmt. Sie wird sich um das Sammeln der Spenden und um die Koordination aller täglich anfallenden Arbeiten kümmern.“
Wieder einmal schert er sich nicht im Geringsten um meine Meinung, geschweige denn Gefühle, dachte Lily, als er sie ins angrenzende Wohnzimmer geleitete. Bei der kleinsten Andeutung von Kritik wurde er sofort wieder zum Bulldozer.
„Darf ich vorschlagen“, meinte Paolo gedehnt, während er beobachtete, wie sie sich bemühte, auf der Kante des glatten Ledersofas zu sitzen und gleichzeitig die Hälften ihres Bademantels geschlossen zu halten, „dass wir in den nächsten zwei Wochen an einem Strang ziehen und nicht gegeneinander arbeiten? Meine Mutter denkt, wir sind verlobt und wollen heiraten. Sie erwartet, dass wir uns wie ein Liebespaar benehmen. Ich hoffe, Sie können das bewerkstelligen. Aber falls nicht, müssen Sie sich zumindest so verhalten, als sei ich Ihr Freund, nicht Ihr Feind. Am besten fangen wir damit an, indem wir von nun an auf die Förmlichkeiten verzichten. Nenn mich Paolo.“
„Lily“, antwortete sie rasch. Sich wie ein Liebespaar benehmen? Allein der Gedanke daran ließ ihr Herz so schnell schlagen, dass sie glaubte, ihre Brust müsse zerspringen.
Eine unmittelbare Antwort wurde ihr glücklicherweise durch den Kellner erspart, der nun den Kaffee servierte.
Durch gesenkte Lider warf sie einen Blick auf Paolo. Sofort machte sich das altbekannte flaue Gefühl in ihrem Magen bemerkbar. Es war so unfair! Wieso musste er so unglaublich sexy sein? Besäße er den Sexappeal eines Frosches, hätte sie mit der ganzen Geschichte bestimmt viel besser umgehen können!
„Dieser Schwindel, den du dir ausgedacht hast, kann nicht funktionieren“, platzte sie heraus, noch bevor der Kellner gegangen war. „Freunde trampeln nicht aufeinander herum. Und sie tun auch nicht so, als seien die Ansichten des anderen unwichtig. Es wird mir wirklich nicht leichtfallen, so zu tun, als wärst du mein Freund.“
Paolo, der ihr gegenüber Platz genommen hatte, schenkte Kaffee in zwei kleine, mit einem Goldrand verzierte Tassen. „Ich verstehe, was du meist. Und ich verspreche, dass es von nun an anders wird.“
In allen Lebensbereichen, privat oder geschäftlich, ließ er nicht zu, dass einer einmal getroffenen Entscheidung irgendetwas in die Quere kam. Einen Widerspruch durch Argumente zu entkräften entsprach einfach nicht seinem normalen Verhalten. Doch nun, da so viel auf dem Spiel stand, würde er die Zähne zusammenbeißen, sein Temperament zügeln und es versuchen.
Er lächelte. „Wenn du eine wertvolle Meinung äußerst, werde ich sie anhören.“
Wie großzügig von ihm! „Muss es denn immer ein Hintertürchen geben?“ Lily nahm die Tasse entgegen, die er ihr reichte. Sie konnte sagen, was sie wollte, und er bestimmte, ob es wertvoll war!
„ Scusa !“ Paolo schenkte ihr ein entwaffnendes Lächeln und lehnte sich auf dem Sessel zurück. Wenn sie ihn nicht gerade ansah, als sei er die Ausgeburt des Teufels, war ihre Gesellschaft wirklich amüsant. Vielleicht würde es ihm sogar Spaß machen, diesen unscheinbaren Sturkopf auf seine Seite zu ziehen. Er musterte sie sorgfältig. Möglicherweise war sie gar nicht so unscheinbar, wie er angenommen hatte. „Die neue Frisur steht dir ausgezeichnet. Sehr hübsch.“
Bevor sie den Kopf abwandte, konnte er noch die Überraschung in ihren Augen sehen. Zu seiner eigenen Verwunderung empfand er Scham.
Er hatte sie wirklich nicht behandelt wie ein menschliches Wesen mit Gefühlen, die verletzt werden konnten … oder in ihren Worten: Er hatte sie regelrecht niedergetrampelt.
Zum ersten Mal fielen ihm ihre Hände auf, schmale, zarte, feingliedrige Hände, gerade damit beschäftigt, die Tasse zurück auf den Unterteller zu stellen. Vermutlich war es am besten, das Gespräch jetzt zu beenden. „Gute Nacht, Lily“, sagte er sanft. „Es ist schon spät, und wir brechen morgen früh auf. Schlaf gut.“
Er sah ihr nach, als sie hinausging.
Wenn er richtig mit ihr umging, ihr hin und wieder kleine Komplimente machte, dann sollten die nächsten zwei Wochen eigentlich kein Problem
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